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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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sind.»
    «He,
überall heißt es, dass es da Massenvernichtungswaffen gibt. Sogar im New
Yorker. Meine Mom sagt, mein Dad will das Abo abbestellen, so verärgert ist er darüber. Mein Dad, der große Außenpolitik-Experte.»
    «Wie viel
willst du darauf wetten, dass dein Dad recht
hat?»
    «Keine
Ahnung. Hundert Dollar?»
    «Abgemacht!»,
sagte Jonathan und hielt ihm die Hand hin. «Hundert Mäuse, dass sie bis
Jahresende keine Waffen finden.»
    Joey
schlug ein und sorgte sich gleich im nächsten Moment, dass Jonathan mit den
Massenvernichtungswaffen doch recht haben könnte. Nicht, dass ihn die hundert
Dollar kümmerten; bei Kenny Barties
würde er achttausend im Monat machen. Doch Jonathan, ein Nachrichtenjunkie,
schien sich seiner Sache so sicher zu sein, dass Joey sich schon fragte, ob er
bei seinen Begegnungen mit den Chefs vom Thinktank und Kenny Barties vielleicht einen Witz nicht mitbekommen hatte: nicht gemerkt
hatte, wie sie zwinkerten oder ihrer Stimme eine ironische Färbung gaben, wenn
sie über Gründe für den Einmarsch im Irak sprachen, die über ihre persönlichen
oder wirtschaftlichen Profitinteressen hinausgingen. Nach Joeys Sicht der Dinge hatte der Thinktank tatsächlich ein geheimes Motiv,
den Einmarsch zu unterstützen: den Schutz Israels, das, anders als die
Vereinigten Staaten, in Reichweite selbst der schrottigen Raketen lag, zu deren
Bau Saddams Wissenschaftler fähig waren. Er hatte geglaubt, dass die Neocons es
wenigstens mit ihrer Angst um Israels Sicherheit ernst meinten. Aber schon
jetzt, da der März in den April überging, winkten sie ab und taten, als wäre es
völlig unwichtig, ob noch Massenvernichtungswaffen auftauchten, ja als wäre die
Freiheit des irakischen Volkes die Hauptsache. Joey, dessen Eigeninteresse an
dem Krieg ein finanzielles war, der aber moralische Zuflucht in der Überlegung
gesucht hatte, klügere Köpfe als er hätten sicher bessere Motive, beschlich
zunehmend das Gefühl, gelinkt worden zu sein. Das machte ihn nicht weniger
begierig aufs Abkassieren, aber er fühlte sich dabei auf jeden Fall etwas unanständiger.
    In dieser
befleckten Stimmung fiel es ihm leichter, mit Jenna über seine Sommerpläne zu
sprechen. Jonathan war, unter anderem, eifersüchtig auf Kenny Barties (jedes Mal, wenn er Joey mit Kenny telefonieren hörte, wurde er stinkig), wohingegen Jenna Dollarzeichen
in den Augen hatte und sehr dafür war, den großen Reibach zu machen.
«Vielleicht sehen wir uns im Sommer ja in Washington», sagte sie. «Ich komme
von New York dahin, und du kannst mich zur Feier meiner Verlobung zum Essen
ausführen.»
    «Klar»,
sagte er. «Wird bestimmt ein netter Abend.»
    «Ich muss dich gleich warnen, in puncto Restaurants habe ich einen sehr teuren
Geschmack.»
    «Wie wird
Nick es finden, dass ich dich zum Essen ausführe?»
    «Nur ein
Griff in seine Brieftasche weniger. Es würde ihm nie einfallen, sich
deinetwegen in die Hose zu machen. Aber deine Freundin, wie würde die das
finden?»
    «Sie ist
nicht eifersüchtig.»
    «Stimmt,
Eifersucht ist ja so unattraktiv, haha.»
    «Was sie
nicht weiß, macht sie nicht heiß.»
    «Ja, und
sie weiß eine ganze Menge nicht, wie? Wie viele kleine Ausrutscher hattest du
denn bis jetzt?»
    «Fünf.»
    «Das sind
vier mehr, als Nick sich leisten dürfte, bevor ich ihm chirurgisch die Eier
entfernen würde.»
    «Klar,
aber wenn du nichts davon wüsstest, würde es dir nichts ausmachen, stimmt's?»
    «Glaub
mir», sagte Jenna, «ich wüsste davon. Das ist der Unterschied zwischen mir und
deiner Freundin. Ich bin eifersüchtig.
Wenn bei mir einer fremdgeht, bin ich die Spanische Inquisition. Da gibt's kein
Pardon.»
    Das war
interessant zu hören, da ausgerechnet Jenna ihn im Herbst zuvor gedrängt hatte,
von zufälligen Gelegenheiten, die sich am College ergeben mochten, Gebrauch zu
machen, und ausgerechnet Jenna hatte er, indem er es tat, etwas zu beweisen
gemeint. Sie hatte ihn in der Kunst unterwiesen, ein Mädchen, aus dessen Bett
er vier Stunden vorher gekrochen war, in der Mensa brüsk zu schneiden. «Sei
nicht so ein Seelchen», hatte sie gesagt. «Die wollen doch, das
du sie ignorierst. Du tust ihnen keinen Gefallen, wenn du es nicht machst. Du
musst dich so verhalten, als hättest du sie noch nie im Leben gesehen.
Rumschmachten oder den Schuldigen mimen ist das Letzte, was sie wollen. Die
sitzen da und beten zu Gott, dass du sie nicht in Verlegenheit bringst.» Sie
hatte eindeutig aus Erfahrung gesprochen, aber so

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