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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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dich nicht. Aber deshalb
habe ich es nicht gemacht. Ich habe es gemacht, weil ich einsam bin. Ich bin
so einsam, Joey. Das bringt mich noch um. Und ich bin einsam, weil ich dich
liebe und du nicht da bist. Ich habe mit jemandem geschlafen, weil ich dich
liebe. Ich weiß, das klingt verquer oder unaufrichtig, aber es ist die
Wahrheit.»
    «Ich
glaube dir», sagte er. Und das tat er auch. Aber der Schmerz, den er empfand,
schien nichts damit zu tun zu haben, ob er glaubte oder nicht glaubte, was sie
nun sagte oder nicht. Die stumme Tatsache, dass seine süße Connie mit einem
mittelalten Schwein ins Bett gegangen war, dass sie sich die Jeans und ihre
kleine Unterhose ausgezogen und wiederholt die Beine
breit gemacht hatte, war nur so lange in Worte gehüllt gewesen, wie Connie sie
ausgesprochen und Joey sie gehört hatte, dann war sie wieder stumm geworden und
hatte sich, von Worten unerreichbar, in ihm eingenistet wie ein verschluckter
Ballen Rasierklingen. Vernünftigerweise konnte er davon ausgehen, dass ihr
dieses Schwein von Geschäftsführer nicht mehr bedeutete, als ihm die entweder
besoffenen oder stinkbesoffenen Mädchen bedeutet hatten, in deren
überparfümierten Betten er im Jahr zuvor gelandet war, doch die Vernunft konnte
den Schmerz in ihm ebenso wenig erreichen, wie man einen heranrasenden Bus zum
Stehen brachte, indem man Stopp! dachte. Der Schmerz war ganz außerordentlich.
Und dennoch auch seltsam willkommen und aufbauend, vermittelte er ihm doch,
dass er lebendig war und in einer Geschichte steckte, die mehr umfasste als ihn
selbst.
    «Sag was,
Baby», sagte Connie.
    «Wann hat
es angefangen?»
    «Keine
Ahnung. Vor einem Vierteljahr.»
    «Na,
vielleicht machst du ja einfach weiter damit», sagte er. «Vielleicht machst du
weiter und kriegst ein Kind von ihm und siehst zu, dass er dir dein eigenes
Haus hinstellt.»
    Es war
gemein, so auf Carol anzuspielen,
doch als Antwort fragte Connie ihn, mit ruhiger Aufrichtigkeit, nur: «Willst du
das denn wirklich?»
    «Ich weiß
nicht, was ich will.»
    «Ich will
das überhaupt nicht. Ich will mit dir zusammen sein.»
    «Ja,
schon. Aber erst, nachdem du ein Vierteljahr mit einem anderen gevögelt hast.»
    Jetzt
hätte sie weinen und ihn um Verzeihung bitten oder wenigstens ihrerseits vom
Leder ziehen sollen, doch sie war kein gewöhnlicher Mensch. «Das stimmt»,
sagte sie. «Du hast recht. Es ist absolut fair. Ich hätte es dir gleich nach
dem ersten Mal sagen und dann damit aufhören können. Aber es ein zweites Mal zu
machen fand ich nicht viel schlimmer, als ich es beim ersten Mal fand. Und beim
dritten und vierten Mal war es genauso. Und dann wollte ich von dem Medikament
loskommen, weil es blöd war, Sex zu haben und dabei kaum etwas zu empfinden.
Und dann musste der Zähler sozusagen wieder auf null.»
    «Und jetzt
empfindest du was, und es ist toll.»
    «Es ist
eindeutig besser. Du bist derjenige, den ich liebe, aber immerhin tun es meine
Nervenden wieder.»
    «Und warum
hast du es mir dann jetzt überhaupt gesagt? Warum es nicht vier Monate machen?
Vier sind doch kaum schlimmer als drei, oder?»
    «Vier
hatte ich eigentlich geplant», sagte sie. «Ich dachte, ich könnte es dir sagen,
wenn ich nächsten Monat komme, und wir würden Pläne machen, wie wir uns öfter
sehen, damit wir wieder monogam sein können. Das will ich noch immer. Aber dann
hatte ich gestern Abend wieder ein schlechtes Gewissen, und da dachte ich, ich sag's dir lieber.»
    «Wirst du
wieder depressiv? Weiß deine Ärztin, dass du das Medikament abgesetzt hast?»
    «Sie weiß
es, aber Carol nicht. Carol glaubt anscheinend, dass das Medikament alles zwischen ihr und mir ins
Lot bringt. Sie glaubt, es löst ihr Problem auf Dauer. Jeden Abend nehme ich
eine Pille aus dem Fläschchen und lege sie in meine Sockenschublade. Sie könnte
sie ja zählen, wenn ich bei der Arbeit bin.»
    «Vielleicht
ist es besser, du nimmst sie», sagte Joey.
    «Ich nehme
sie wieder, wenn ich dich nicht mehr sehen kann. Aber wenn ich dich sehe, will
ich alles empfinden. Und ich glaube nicht, dass ich sie brauche, wenn ich dich
regelmäßig sehe. Ich weiß, das klingt wie eine Drohung oder so, aber es ist
einfach nur die Wahrheit. Ich will dich nicht beeinflussen, ob du mich
wiedersehen willst oder nicht. Mir ist klar, dass ich was Blödes gemacht habe.»
    «Tut es
dir leid?»
    «Ich weiß,
ich sollte ja sagen, aber eigentlich bin ich mir nicht sicher. Tut es dir leid,
dass du mit anderen geschlafen

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