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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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hast?»
    «Nein.
Schon gar nicht jetzt.»
    «Mir
geht's genauso. Ich bin genau wie du. Ich hoffe nur, du behältst das in
Erinnerung und ich darf dich wiedersehen.»
    Connies Geständnis war seine letzte, beste Gelegenheit, reinen Gewissens zu
flüchten. So leicht hätte er ihr aus wichtigem Grund den Laufpass geben können,
wäre er nur wütend genug gewesen, es tatsächlich auch zu tun. Als er aufgelegt
hatte, griff er sich die Flasche Jack Daniels, die zu meiden er normalerweise
diszipliniert genug war, und dann ging er hinaus und lief durch die schwülen
Straßen seines trostlosen Nicht-Viertels, genoss die wuchtige Sommerhitze und
das kollektive Dröhnen der Klimaanlagen, die sie verstärkten. In einer Tasche
seiner Khakihose befand sich eine Handvoll Münzen, er nahm sie heraus und
schleuderte sie, immer ein paar auf einmal, auf die Straße. Er warf sie alle
weg, die Pennys seiner Unschuld, die Dimes und
Quarters seiner Selbstgenügsamkeit. Er musste alles loswerden, alles. Er hatte
niemanden, dem er von seinem Schmerz erzählen konnte, am allerwenigsten seine
Eltern, aber auch nicht Jonathan, weil er fürchtete, er könnte damit die hohe
Meinung seines Freundes von Connie beschädigen, und auf gar keinen Fall Jenna,
die nichts von Liebe verstand, und auch nicht seine Collegefreunde - sie alle
betrachteten eine Freundin, für einen Mann, als sinnlose Behinderung der
Freuden, nach denen sie die nächsten zehn Jahre zu
streben gedachten. Er war vollkommen allein und begriff nicht, wie ihm das
widerfahren war. Wie es zu einem Leiden namens Connie im Zentrum seines Lebens
hatte kommen können. Es trieb ihn in den Wahnsinn, so minutiös zu empfinden,
was sie empfand, sie zu gut zu verstehen und es nicht zu schaffen, sich ihr
Leben ohne ihn vorzustellen. Jedes Mal, wenn er die Gelegenheit gehabt hatte,
von ihr loszukommen, hatte ihn die Logik des Eigeninteresses im Stich gelassen,
war wie ein Gang, der seinem Verstand ständig heraussprang, durch die Logik
ihrer Zweisamkeit ersetzt worden.
    Eine Woche
verging, ohne dass sie ihn anrief, dann noch eine. Zum ersten Mal wurde er sich
bewusst, dass sie älter war als er. Sie war jetzt einundzwanzig, dem Gesetz
nach erwachsen, eine Frau, für verheiratete Männer interessant und attraktiv.
Im Griff der Eifersucht betrachtete er sich plötzlich als den, der mehr Glück
gehabt hatte von ihnen beiden, als den Jungen, dem sie ihre Leidenschaft
geschenkt hatte. In seiner Phantasie wurde sie zu etwas ungeheuer Verlockendem.
Manchmal schon hatte er vage gespürt, dass ihre Verbindung außergewöhnlich war,
verwunschen, märchenhaft, aber erst jetzt erkannte er, wie sehr er auf sie
zählte. Während der ersten Tage ihres Schweigens vermochte er sich einzureden,
dass er sie bestrafte, indem er sie nicht anrief, doch schon bald hielt er
sich selbst für den Bestraften, denjenigen, der gespannt darauf wartete, ob sie
in ihrem Gefühlsmeer einen Tropfen Gnade fand und das Schweigen für ihn brach.
    Unterdessen
teilte ihm seine Mutter mit, dass sie ihm keine monatlichen Schecks über 500
Dollar mehr schicken werde. «Leider hat Dad dem ein
Ende gemacht», sagte sie mit einer Fröhlichkeit, die ihn ärgerte. «Ich hoffe,
sie waren wenigstens zu etwas nütze, solange sie kamen.» Joey empfand eine
gewisse Erleichterung darüber, dass er ihrem Wunsch, ihn zu unterstützen, nun
nicht mehr nachgeben musste und ihr dafür auch keine regelmäßigen Anrufe mehr
schuldete; außerdem war er froh, dass die Notwendigkeit entfiel, den
Commonwealth of Virginia
bezüglich der Höhe seiner elterlichen Zuwendungen zu belügen. Allerdings war er
inzwischen auf die monatlichen Spritzen angewiesen, um über die Runden zu
kommen, und jetzt bedauerte er, dass er in dem Sommer so oft mit dem Taxi
gefahren war und sich so viele Essen hatte liefern lassen. Er konnte nicht
umhin, seinen Vater zu hassen und sich von seiner Mutter betrogen zu fühlen,
die sich, wenn es hart auf hart kam, trotz der vielen Klagen über ihre Ehe, die
sie Joey aufdrängte, am Ende offenbar immer wieder seinem Vater fügte.
    Dann rief
seine Tante Abigail an, um ihm
für Ende August die Nutzung ihrer Wohnung anzubieten. Während der vergangenen
anderthalb Jahre hatte er auf Abigails E-Mail-Verteiler
für ihre Auftritte in kleinen, bizarr benannten Clubs in New York gestanden,
und alle paar Monate hatte sie ihn angerufen, um einen ihrer selbstrechtfertigenden
Monologe zu halten. Drückte er sie weg, hinterließ sie nicht einfach

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