Franzen, Jonathan
Lodz
zusammen, hatte er schon Connies gesamtes
Geld und die Hälfte der ersten Rate seines Bankdarlehens aufgebraucht. Selbst
wenn er jetzt noch irgendwie aussteigen könnte, wäre Connie ruiniert und er
selbst erdrückend verschuldet. Nervös drehte er seinen Ehering am Finger,
drehte und drehte ihn, wollte ihn sich zum Trost in den Mund stecken, wagte es
aber nicht aus Angst, ihn erneut zu verschlucken. Er versuchte sich einzureden,
dass es doch irgendwo noch mehr Aio-Teile geben müsse, irgendwo in einem
verwahrlosten, immerhin regensicheren Depot in Osteuropa, aber er hatte schon
lange Tage im Internet und mit Telefonaten verbracht, und die Chancen standen
nicht gut.
«Kenny,
dieses Arschloch», sagte er laut und dachte, was für ein unpassender Moment es
doch war, ein Gewissen zu entwickeln. «Dieser Scheißverbrecher.»
Wieder in
Miami, zwang er sich, als er auf seinen letzten Anschlussflug wartete, Connie
anzurufen.
«Hallo,
Baby», sagte sie heiter. «Wie war Buenos Aires?»
Er
umschiffte die Details seines Reiseweges und lieferte ihr gleich eine
Schilderung seiner Nöte.
«Es klingt
aber so, als ob du das phantastisch gemacht hast», sagte Connie. «Also,
zwanzigtausend Dollar, das ist doch ein Superpreis, oder?»
«Nur dass
es rund neunzehntausend mehr sind, als der Schrott wert ist.»
«Nein,
Baby, er ist das wert, was Kenny dir bezahlt.»
«Und du
findest nicht, ich sollte dabei, na ja, moralische Bedenken haben? Dass ich
der Regierung einen totalen Schrott andrehe?»
Sie
schwieg, während sie darüber nachdachte. «Ich glaube», sagte sie schließlich,
«wenn es dich zu unglücklich macht, solltest du es vielleicht lieber lassen.
Ich möchte, dass du nur Dinge tust, die dich auch glücklich machen.»
«Ich werde
dein Geld nicht verlieren», sagte er. «Das ist das Einzige, was ich weiß.»
«Nein, du
kannst es verlieren. Das ist schon in Ordnung. Dann machst du eben anderswo
mehr Geld. Ich vertraue dir.»
«Ich werde
es nicht verlieren. Ich möchte, dass du wieder ans College gehst. Ich möchte,
dass wir ein gemeinsames Leben haben.»
«Na, dann lass es uns haben! Ich bin bereit, wenn du es bist. Ich bin dazu absolut
bereit.»
Auf dem
Rollfeld, unter einem unbeständigen grauen Florida-Himmel, fuhren bewährte
Massenvernichtungswaffen hierhin und dorthin. Joey wünschte, er könnte einer
anderen Welt angehören, einer einfacheren, in der man auf niemand anderes
Kosten ein gutes Leben führen konnte. «Ich habe eine Nachricht von deiner Mom
gekriegt», sagte er.
«Ich
weiß», sagte Connie. «Ich war mies beieinander, Joey. Gesagt habe ich ihr
nichts, aber sie hat meinen Ring gesehen und mich danach gefragt, und da
konnte ich es nicht mehr für mich behalten.»
«Sie hat
rumgezickt, dass ich es meinen Eltern sagen soll.»
«Lass sie
zicken. Du sagst es ihnen, wenn du so weit bist.»
Er war
melancholischer Stimmung, als er nach Alexandria zurückkam. Keine Jenna mehr
zu haben, auf die er sich freuen oder von der er träumen konnte, nicht mehr in
der Lage zu sein, sich ein gutes Ergebnis in Paraguay vorzustellen, keinen
angenehmen, sondern nur unangenehmen Aufgaben entgegenzusehen - er aß eine
ganze große Tüte Kartoffelchips und rief dann Jonathan an, um zu bereuen und
Trost in der Freundschaft zu suchen. «Und jetzt das Schlimmste», sagte er. «Ich
bin als verheirateter Mann hingefahren.»
«Echt!»,
sagte Jonathan. «Du hast Connie geheiratet?»
«Ja.
Tatsächlich. Im August.»
«Das ist
das Durchgeknallteste, was ich je gehört habe.»
«Ich dachte,
ich erzähle es dir lieber, weil du es wahrscheinlich sowieso von Jenna hörst.
Die momentan, wie man wohl sagen kann, nicht eben begeistert von mir ist.»
«Die muss ja tierisch sauer sein.»
«Na ja,
ich weiß, du findest sie schrecklich, aber das ist sie nicht. Sie weiß einfach
nicht, wohin mit sich, und alle sehen immer nur, wie sie aussieht. Sie ist so
viel schlechter dran als du.»
Darauf
erzählte Joey ihm die Geschichte mit dem Ring und der gruseligen Szene im Bad,
als er die Hände voller Kacke hatte und Jenna an die Tür klopfte, und in seinem
Lachen und Jonathans Lachen und angeekeltem Aufstöhnen fand er den Trost, den
er gesucht hatte. Was fünf Minuten lang abscheulich gewesen war, ergab eine
großartige Geschichte für die Ewigkeit. Als er dann auch noch einräumte, dass
Jonathan bei Kenny Barties richtiggelegen hatte, war Jonathans Reaktion klar
und unerschütterlich: «Du musst raus aus dem
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