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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Moment! Ich habe Durchfall.»
    «0 Gott.
Kannst du mir wenigstens einen Tampon geben?»
    «Gleich!»
    Glücklicherweise
zeigte sich der Ring in der zweiten Wurst, die er auseinanderbrach. Etwas
Hartes inmitten des Weichen, ein reiner Kreis im Chaos. So gut es ging, wusch
er sich die Hände in dem verschmutzten Wasser, betätigte mit dem Ellbogen die
Spülung und trug den Ring zum Waschbecken. Der Gestank war grauenhaft. Er
säuberte Hände, Ring und Hähne dreimal mit viel Seife, während Jenna vor der
Tür klagte, in zwanzig Minuten gebe es Frühstück. Und was er nun empfand, war
sonderbar, doch er empfand es eindeutig: Als er, den Ring am Ringfinger, aus
dem Bad kam und Jenna an ihm vorbei hineinrannte und gleich wieder, kreischend
und über den Gestank fluchend, heraustaumelte, war er ein anderer Mensch. Er
sah diesen Menschen so deutlich, dass es war, als stünde er außerhalb seiner
selbst. Er war der Mensch, der die eigene Scheiße angepackt hatte, um seinen
Ehering zurückzubekommen. Das war nicht der Mensch, für den er sich gehalten
hatte oder der er hätte sein wollen, wenn er frei hätte wählen können, doch es
hatte etwas Tröstliches und Befreiendes, ein richtiger, fest umrissener Jemand
zu sein statt einer Ansammlung widersprüchlicher, potenzieller Jemande.
    Sofort
schien die Welt sich zu verlangsamen und zu stabilisieren, als richtete auch
sie sich in einer neuen Notwendigkeit ein. Das erste, lebhafte Pferd, das man
ihm in den Ställen gab, warf ihn fast sanft, ohne Bosheit, auf die Erde,
gebrauchte dazu nicht mehr Gewalt, als nötig war, um ihn aus dem Sattel zu
schütteln. Danach setzte man ihn auf eine zwanzig Jahre alte Stute, von deren
breitem Rücken aus er Jenna nachblickte, wie sie auf ihrem Hengst, einen
staubigen Pfad entlangjagend, rasch kleiner wurde, den linken Arm in
rückhändigem Lebewohl oder vielleicht nur guter Reitersitte erhoben, während
Felix an ihm vorbeigaloppierte, ihr nach. Er sah ein, dass es verständlich
wäre, wenn sie am Ende Felix und nicht ihn vögelte, da Felix der weitaus
bessere Reiter war; das empfand er als Erleichterung, vielleicht sogar als eine
Mitzwa, da die arme Jenna unbedingt von jemandem gevögelt werden musste. Er
selbst verbrachte den Vormittag erst im Schritt, dann kanternd mit Ellens
kleiner Tochter Meredith, der
Romanleserin, der er zuhörte, während sie einen eindrucksvollen Schatz an
Pferdewissen zum Besten gab. Das alles machte ihn nicht weich, es verlieh ihm
vielmehr ein Gefühl von Festigkeit. Die Andenluft war herrlich. Meredith schien ein bisschen in ihn verknallt zu sein und belehrte ihn
geduldig, wie er sich weniger verwirrend für sein Pferd verhalten konnte. Als
die Gruppe zu einem Vormittagsimbiss an einer Quelle zusammenkam, wo keine Spur
von Jenna und Felix zu sehen war, erteilte Jeremy seiner stillen, rotgesichtigen Frau weitaus boshaftere Belehrungen,
da er ihr die Schuld daran in die Schuhe schob, dass sie so weit hinter den
Vordersten zurückgefallen waren. Die sauberen Hände wölbend, um Quellwasser
aus einem Steinbecken zu trinken, und ohne weiteres Interesse daran, was Jenna
vorhaben mochte, empfand Joey Mitleid mit Jeremy. Es machte Spaß, in Patagonien zu reiten - damit hatte sie recht
gehabt.
    Seine
friedlichen Gefühle währten bis in den Spätnachmittag hinein, als er am
Zimmertelefon auf Kosten von Jennas Mutter seine Handy-Mailbox abrief und Nachrichten
von Carol Monaghan und Kenny Barties vorfand. «Hallo, mein Lieber, hier ist deine Schwiegermutter», sagte Carol. «Was sagst
du dazu, hm? Schwiegermutter! Ist es nicht seltsam, so etwas
zu sagen. Ich finde das phantastisch, aber weißt du was, Joey? Ich will ehrlich
zu dir sein. Ich finde, wenn du so viel von Connie hältst, dass du sie
heiratest, und wenn du deine Reife so hoch einschätzt, dass du in den Stand der
Ehe trittst, dann solltest du auch den Anstand haben, es deinen Eltern zu
sagen. Das ist nur meine unmaßgebliche Meinung, aber ich sehe keinen Grund,
warum du es so geheim hältst, es sei denn, du schämst dich für Connie. Und ich
weiß wirklich nicht, was ich von einem Schwiegersohn halten soll, der sich für
meine Tochter schämt. Vielleicht sage ich einfach nur, dass ich Dinge sehr
schlecht für mich behalten kann und etwas gegen diese Geheimniskrämerei habe.
Okay? Vielleicht belasse ich es mal dabei.»
    «Was soll
der Scheiß, Mensch?», sagte Kenny Barties.
«Wo steckst du denn? Ich habe dir gerade so an die zehn Mails geschickt. Bist
du in

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