Franzen, Jonathan
Militärbestände zu verkaufen.
Er trug einen Kampfanzug und eine Seitenwaffe, weswegen Joey nur ungern vor
ihm ging. Sie arbeiteten sich durch Unkraut, das immer höher und holziger wurde
und in dem immer mehr übergroße südamerikanische Hornissen summten, bis sie
ganz hinten, an einem von durchhängendem Stacheldraht bekränzten Zaun, den
Hauptbestand der Pladsky-Aio-Ersatzteile erreichten. Die gute Nachricht war,
dass es durchaus eine Menge davon gab. Die schlechte Nachricht war ihr
jämmerlicher Zustand. Etliche rostgeränderte Motorhauben lagen
aneinandergekippt da wie umgestoßene Dominosteine; Achsen und Stoßstangen
bildeten wirre Haufen wie riesige alte Hühnerknochen; Motorblöcke verteilten
sich im Gestrüpp wie die Kötel eines Tyrannosaurus Rex; auf den Schrägen
konischer Hügel noch stärker verrosteter kleinerer Teile wuchsen Wildblumen.
Auf seinem Streifzug durch das Unkraut stocherte Joey in Nestern schlammverkrusteter
und/oder zerbrochener Plastikteile, Schlangengruben von Schläuchen und Gurten,
rissig vom Wetter, und in modernden, mit polnischen Wörtern beschrifteten Ersatzteilekartons. Beim Anblick von alldem musste er mit Tränen
der Enttäuschung kämpfen.
«Viel Rost
hier», sagte er.
«Rost, was
ist Rost?»
Er brach
von der nächstbesten Radnabe eine große Flocke ab. «Rost. Eisenoxid.»
«Das kommt
von die Regen», erklärte da Rosa.
«Ich kann
Ihnen für das alles zehntausend Dollar geben», sagte Joey. «Wenn es mehr als
dreißig Tonnen sind, kann ich Ihnen fünfzehn geben. Das übersteigt den
Schrottwert um einiges.»
«Warum Sie
wollen diese Scheiße?»
«Ich habe
eine Lasterflotte, die ich instand halten muss.»
«Sie, Sie
sind sehr junger Mann. Warum Sie wollen das?»
«Weil ich
dumm bin.»
Da Rosa
blickte hinaus in den erschöpften, summenden Sekundärdschungel hinter dem
Zaun. «Kann nicht alles geben.»
«Warum
nicht?»
«Die
Laster, nützen Armee nix. Aber nützen, wenn ist Krieg. Dann meine Teile sind
wertvoll.»
Joey
schloss die Augen und erschauerte von diesem Unverstand. «Welcher Krieg? Gegen
wen wollt ihr denn kämpfen? Bolivien?»
«Ich sage,
wenn ist Krieg, wir brauchen Teile.»
«Diese
Scheißteile sind doch nutzlos. Ich biete Ihnen fünfzehntausend Dollar dafür. Quince
mil dölares.»
Da Rosa
schüttelte den Kopf. «Cincuenta mil.»
«Fünfzigtausend
Dollar? Auf. Gar. Keinen. Fall. Verstehen Sie? Auf keinen Fall.»
«Treinta.»
«Achtzehn. Diez y ocho.»
«Veinte
cinco.»
«Ich
überleg's mir», sagte Joey und wandte sich Richtung Büro. «Ich überlege, ob ich
Ihnen zwanzig gebe, wenn es über dreißig Tonnen sind. Veinte, in
Ordnung? Das ist mein letztes Angebot.»
Ein paar
Minuten nachdem er da Rosa die ölige Hand geschüttelt hatte und wieder in das
Taxi gestiegen war, das er an der Straße hatte warten lassen, war er ganz
zufrieden mit sich, mit der Art und Weise, wie er die Verhandlung geführt
hatte, mit seiner Kühnheit, dafür nach Paraguay gereist zu sein. Was sein Vater
an ihm nicht verstand, sondern eigentlich nur von Connie verstanden wurde, war,
dass er einen hervorragend kühlen Geschäftssinn hatte. Er vermutete, dass er
diesen Instinkt seiner Mutter verdankte, die mit einem Konkurrenzgeist auf die
Welt gekommen war, und als ihr Sohn befriedigte es ihn ganz besonders, ihn
einzusetzen. Der Preis, den er da Rosa hatte abringen können, war weit
niedriger, als er zu hoffen gewagt hatte, und sogar trotz der Kosten für einen
örtlichen Spediteur, der die Teile in Container verladen und zum Flughafen
bringen sollte, ja sogar trotz der schwindelerregenden Summe, die es ihn dann
noch kosten würde, die Container per Charter in den Irak fliegen zu lassen,
befände er sich immer noch innerhalb eines Bereichs, der ihm einen obszönen
Profit sicherte. Doch als das Taxi sich durch ältere, kolonialzeitliche Gegenden
von Asuncion schlängelte, wuchs in ihm die
Furcht, dass er es nicht konnte. Es nicht konnte, einen solchen praktisch
wertlosen Schrott den amerikanischen Streitkräften zu schicken, die einen
harten, unkonventionell geführten Krieg gewinnen mussten. Auch wenn er das
Problem nicht geschaffen hatte - das hatte Kenny Barties getan, indem er den veralteten Pladsky aus der Ramschabteilung
ausgesucht hatte, um seinen eigenen Vertrag zu erfüllen -, war es dennoch sein
Problem. Und das schuf ein noch größeres Problem: Zählte er die Kosten der
Firmengründung und der schäbigen, aber teuren Verschickung der Teile aus
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