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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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zweiunddreißig Tonnen Ersatzteile in Container und trank an den fünf
Abenden, die er warten musste, bis Logistica Internacional sie in eine
altertümliche C-130 gehievt hatte und sie davongeflogen waren, fünf Flaschen
Wein; in diesem Scheißhaufen aber steckte kein goldener Ring. Als er zurück in
Washington war, trank er ohne Unterbrechung weiter, und als Connie dann mit
drei Koffern ankam und bei ihm einzog, trank er weiter und schlief schlecht,
und als Kenny aus Kirkuk anrief, um ihm zu sagen, dass man die Lieferung
angenommen hatte und seine 850000 Dollar schon unterwegs seien, hatte er eine
so schlechte Nacht, dass er Jonathan anrief und ihm gestand, was er getan
hatte.
    «0 Mann, das
ist schlimm», sagte Jonathan.
    «Als
wüsste ich das nicht.»
    «Dann
kannst du nur hoffen, dass du nicht erwischt wirst. Hier kursieren schon jede
Menge Geschichten über die Verträge über achtzehn Milliarden, die sie im
November vergeben haben. Würde mich nicht wundern, wenn es zu Anhörungen im
Kongress kommt.»
    «Gibt es
jemanden, dem ich davon erzählen kann? Ich will das Geld ja gar nicht, nur das,
was ich Connie und der Bank schulde.»
    «Das ist
aber sehr edel von dir.»
    «Ich
konnte nicht zulassen, dass Connies Geld
futsch ist. Ich hab's doch bloß deswegen gemacht. Aber vielleicht könntest du
ja jemanden bei der Post stecken,
was hier abgeht. Dass du aus einer anonymen Quelle was gehört hast oder so?»
    «Nicht,
wenn du anonym bleiben willst. Und wenn du das nicht willst, weißt du ja, wen
sie in den Dreck ziehen.»
    «Aber wenn
ich derjenige bin, der auspackt?»
    «Sowie du
auspackst, zieht Kenny dich in den Dreck. Und auch LBI zieht dich in den Dreck.
Die haben einen extra Einzelposten in ihrem Etat, um Leute, die auspacken, in
den Dreck zu ziehen. Du wärst der ideale Sündenbock. Der adrette Collegejunge
mit den rostigen Lkw-Ersatzteilen? Ist für die Post doch ein
gefundenes Fressen. Nicht, dass dir deine Haltung nicht zur Ehre gereicht.
Aber ich empfehle dir dringend, die Klappe zu halten.»
    Während
sie darauf warteten, dass die schmutzigen 850000 Dollar durch die Kanäle flossen,
fand Connie Arbeit bei einer Zeitarbeitsfirma. Joey verbummelte seine Tage mit
Fernsehen und Videospielen und versuchte zu lernen, wie man häuslich ist, wie
man ein Essen plant und das Nötige dafür einkauft, doch selbst der simpelste
Kurzbesuch im Supermarkt erschöpfte ihn. Die Depression, die jahrelang die ihm
am nächsten stehenden Frauen befallen hatte, schien nun endlich ihre
rechtmäßige Beute ermittelt zu haben und biss sich in ihm fest. Das Einzige,
was er, wie er wusste, unbedingt tun musste, nämlich seiner Familie sagen, dass
er Connie geheiratet hatte, schaffte er nicht. Die Notwendigkeit dessen machte
sich in der kleinen Wohnung breit wie ein Pladsky Aio, drängte ihn an den Rand,
ließ ihm kaum Luft zum Atmen. Sie war da, wenn er aufwachte, sie war da, wenn
er ins Bett ging. Er konnte sich nicht vorstellen, es seiner Mutter zu sagen,
weil sie die Heirat zwangsläufig als Schlag speziell gegen sich selbst
betrachten würde. Was sie in gewisser Hinsicht wohl auch war. Aber nicht
weniger graute ihm vor dem Gespräch mit seinem Vater, davor, dass diese Wunde
wieder aufgerissen wurde. Und so schob er jeden Tag - obwohl ihn das Geheimnis
erstickte, obwohl er sich vorstellte, wie Carol es all seinen ehemaligen Nachbarn ausplauderte, von denen einer es
bestimmt bald seinen Eltern erzählen würde - die Bekanntgabe um einen weiteren
Tag hinaus. Dass Connie ihm nicht damit in den Ohren lag, machte das Problem
nur noch ausschließlicher zu seinem.
    Und dann
sah er eines Abends auf CNN den
Bericht über einen Hinterhalt außerhalb von Falludscha, bei dem mehrere amerikanische
Laster liegengeblieben und die Auftragsfahrer von Aufständischen
niedergemetzelt worden waren. Zwar sah er in dem CAW-Beitrag keine Aio, dennoch
wühlte es ihn so auf, dass er sich in den Schlaf trinken musste. Ein paar
Stunden später wachte er schweißgebadet, weitgehend nüchtern, neben seiner Frau
auf, die buchstäblich wie ein Baby schlief - mit dieser weltvertrauenden, tiefen
Ruhe -, und da wusste er, dass er gleich am Morgen seinen Vater anrufen musste.
Noch nie hatte er sich so sehr vor etwas gefürchtet wie vor diesem Anruf. Aber
ihm war nun klar, dass niemand anders ihm raten konnte, was zu tun war - ob er
auspacken und die Folgen tragen sollte oder lieber stumm blieb und das Geld
behielt -, und dass niemand anders ihn entlasten würde.

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