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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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schlimm. Vielleicht Patty zuliebe, der das maßlose
Trinken inzwischen selbst nicht mehr ganz fremd zu sein schien - wenn sie
morgens aus dem Haus kam, um die blau umwickelte New York
Times und die grün umwickelte Star-Tribune vom Gehweg aufzusammeln, war ihr Teint ein einziger Chardonnay-Klecks
-, hatte Walter sich schließlich bereit gefunden, das Haus als Feriendomizil zu
behalten, und sobald die Schule im Juni aus war, fuhr Patty mit Joey dorthin, um Schubladen auszuräumen und das Haus zu putzen und zu
streichen, während Jessica mit Walter in Ramsey Hill blieb
und einen Zusatzkurs in Lyrik belegte.
    Einige
Nachbarn, darunter nicht die Paulsens, brachten in jenem Sommer ihre Söhne zu
dem Haus am See. Sie trafen Patty in erheblich besserer Verfassung an. Unter
vier Augen animierte einer der Väter Seth Paulsen dazu, sie sich braungebrannt und barfuß in einem schwarzen Badeanzug
und Jeans ohne Gürtel vorzustellen, ein Bild, das Seth ausgesprochen gut
gefiel. In größerer Runde äußerten alle, wie aufmerksam und bester Laune Joey war und wie reibungslos er und Patty miteinander auszukommen schienen.
Sie spielten mit jedem Besucher ein kompliziertes Gesellschaftsspiel, das sie
«Assoziationen» nannten. Bis spät in die Nacht saß Patty vor der Fernsehkonsole
ihrer Schwiegermutter und erheiterte Joey mit ihrer
Detailkenntnis immer wieder ausgestrahlter Sitcoms der sechziger und siebziger Jahre. Joey, der herausgefunden hatte, dass ihr See auf den Ortskarten nicht
verzeichnet war - eigentlich war es ein großer Teich, an dem, mit ihrem, nur
zwei Häuser standen -, hatte ihn namenlos getauft,
und Patty sprach den Namen zärtlich, ja gefühlsselig aus, «unser Namenloser
See». Als Seth Paulsen von einem
der heimkehrenden Väter hörte, Joey schufte
dort oben stundenlang - säubere die Regenrinnen, beschneide Büsche, spachtele
Wandfarbe ab -, fragte er sich, ob Patty ihrem Sohn wohl ein solides Salär für
seine Dienste zahlte, ob das vielleicht Teil der Abmachung war. Doch niemand
wusste es zu sagen.
    Was Connie betraf, so konnten die Paulsens auf der Monaghanseite ihres Hauses
kaum aus dem Fenster schauen, ohne sie warten zu sehen. Sie war wirklich ein
sehr geduldiges Mädchen, hatte den Stoffwechsel eines Fisches zur Winterzeit.
Abends räumte sie im Restaurant W. A. Frost die Tische ab, aber unter der Woche
saß sie den ganzen Nachmittag lang wartend auf dem Treppenabsatz vor dem Haus,
während Eiswagen vorbeifuhren und die jüngeren Kinder spielten, und am
Wochenende saß sie auf einem Terrassenstuhl im Garten, warf hin und wieder
einen kurzen Blick auf die lauten, brachialen, planlosen Baumfäll- und
Anbauaktivitäten, die Blake, der neue Freund ihrer Mutter, mit seinen nicht
gewerkschaftlich organisierten Kumpels aus dem Baugewerbe entfaltete, aber
hauptsächlich wartete sie bloß.
    «Na, Connie, was gibt's zurzeit Interessantes in deinem Leben?», fragte Seth sie
vom Gartenweg aus.
    «Abgesehen
von Blake, meinen Sie?»
    «Ja,
abgesehen von Blake.»
    Connie überlegte kurz, schüttelte dann den Kopf. «Nichts», sagte sie.
    «Langweilst
du dich?»
    «Nicht
wirklich.»
    «Warst du
mal im Kino? Liest du irgendwas?»
    Connie fixierte Seth mit ihrem ungerührten Wir-haben-nichts-gemeinsam-Blick.
«Ich habe Batman gesehen.»
    «Und Joey? Ihr beide wart ja ziemlich dicke, du vermisst ihn doch sicher.»
    «Der kommt
schon wieder», sagte sie.
    Nachdem
der alte Zigarettenkippenkonflikt beigelegt worden war - Seth und Merrie
räumten ein, es mit dem sommerlangen Zählen der Kippen im Planschbecken
womöglich übertrieben, ja womöglich überreagiert zu haben -, hatten sie in Carol Monaghan eine reiche Informationsquelle zu allem Wissenswerten über
die Lokalpolitik der Demokraten aufgetan, in der Merrie sich mehr und mehr
engagierte. Ganz sachlich erzählte Carol haarsträubende
Geschichten vom schmutzigen Parteiapparat, von versteckten Schmiergeldleitungen,
manipulierten Ausschreibungen, durchlässigen Brandmauern und interessanter
Rechenkunst und hatte an Merries Entsetzen
ihren Spaß. Merrie lernte Carol als
leibhaftiges Exempel eben jener städtischen Korruption schätzen, die sie doch
bekämpfen wollte. Das Großartige an Carol war, dass
sie sich nie zu ändern schien - sich immer noch jeden Donnerstagabend für wen
auch immer aufbrezelte, Jahr für Jahr für Jahr, und die patriarchalischen
Sitten in der Kommunalpolitik am Leben erhielt.
    Und dann,
eines Tages, änderte sie sich doch. So etwas kam in letzter

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