Franziskus, der neue Papst (German Edition)
weit, der vatikanische Zeremonienmeister Guido Marini spricht um 17:31 Uhr die legendären Worte »Extra Omnes« (»Alle hinaus«), die Tür wird geschlossen. Das Konklave hat begonnen.
Etwas mehr als einen Tag liegt das »Extra Omnes« zurück, als nach fünf Wahlgängen der weiße Rauch aufsteigt, zehn Minuten später oben die Glocken von St. Peter zu dröhnen beginnen und sich unten auf dem Platz fremde Menschen in den Armen liegen. Viele waren schon gestern hier, hatten im strömenden Regen ausgehalten und erlebt, wie gegen 19:41 Uhr das erste Rauchzeichen kam, ein schwarzes. Innerhalb weniger Minuten hatte sich der Petersplatz geleert und war erst am Vormittag dieses historischen Mittwochs, des 13. März 2013, wieder voller geworden. Wieder hatten die Menschen gehofft und gewartet und schließlich, um 11:39 Uhr, kurz den Atem angehalten. Der Rauch, der aus dem Schornstein stieg, war nicht schwarz. Erinnerungen wurden wach an die letzte Wahl, als es Verwirrung um die Farbe gegeben hatte. Diesmal aber tut die Chemie, die den verbrannten Stimmzetteln zugefügt wird, ihren Dienst. Der Rauch wird dunkler, bleibt aber fast grau – als ob der Rauch andeuten wollte, dass es diesmal ganz knapp war. Als ob er sagen wollte, er würde wiederkommen und beim nächsten Mal die richtige Farbe haben, die Farbe weiß. Er sollte Wort halten. Denn all das liegt jetzt Stunden hinter den etwa 200.000 Gläubigen auf dem Platz, die feiern und nur noch eines wollen: den neuen Papst sehen. Es ist das Warten auf den letzten Akt.
Der Regen war zwischenzeitlich wieder stärker geworden, die Gläubigen auf dem Petersplatz haben sich durch das Mitsingen der italienischen Nationalhymne aufgewärmt. Gendarmerie, Carabinieri und Schweizergarde sind aufmarschiert, dazu Vertreter der verschiedenen italienischen Streitkräfte. Jetzt stehen sie still vor der gewaltigen Fassade des Petersdoms, die Carlo Maderno so meisterhaft entworfen hat. Nun harren auch sie aus, warten, dass sich über ihren Köpfen etwas tut. Dort befindet sich die Benediktionsloggia, der Balkon, von dem aus sich der neue Papst der Welt vorstellt. Sehnsüchtig warten die Hundertausenden auf eine Bewegung, auf ein kleines Zittern am roten Vorhang. Die Kardinäle im Inneren des Vatikans haben zu diesem Zeitpunkt bereits den neuen Papstnamen erfahren, gleich nachdem der Gewählte die Entscheidung seiner bisherigen Kardinalskollegen akzeptiert hatte. Danach geht es für ihn in den »Stanza delle lacrime«, den »Raum der Tränen«. Der »Raum der Tränen« heißt so, weil viele der Frischgewählten hier von den Emotionen übermannt werden. Zeit, um sich zu sammeln, bleibt jedoch nicht, der neue Pontifex eilt in neuem Gewand zurück in die Sistina, um den Kardinälen den Treueschwur abzunehmen. Im Stehen, nicht erhöht im Sitzen, wie man nachher erfahren wird. Danach folgt das Gebet in der Cappella Paolina, still und alleine – fühlt der neue Pontifex nun endgültig das Gewicht der neuen Aufgabe? Mit Sicherheit. Und mit Sicherheit hat er es schon zuvor gefühlt und mit Sicherheit drückt es immer schwerer, je näher der Gang auf den Balkon rückt. Die Menge, die sehnsüchtig auf ihren neuen Heiligen Vater wartet, bekommt von all dem nichts mit. Erst um 20:10 Uhr öffnet sich der rote Vorhang und heraus tritt Jean-Lous Kardinal Tauran. Alt ist er geworden, der berühmte Franzose. Als Kardinalprotodiakon hat er die Ehre, die legendären Worte zu sprechen. Seine Stimme zittert, als er verkündet: »Annuntio vobis gaudium magnum. Habemus Papam!«
Applaus. Jubel. Wie immer bei diesen Worten. Tauran zittert weiter. Anders als sein Vorgänger vor acht Jahren, Jorge Arturo Kardinal Medina Estévez, schürt er die Spannung nicht mit bedeutungsschweren Pausen. Tauran spricht schnell, als wolle er die Sensation endlich loswerden: »Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Georgium Marium Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Bergoglio!« Damit ist klar: Jorge Mario Bergoglio ist der neue Papst. Der Erzbischof von Buenos Aires ist der neue »Stellvertreter Christi«. Und wie wird er heißen?
»Qui sibi nomen imposuit«, ruft Tauran und dann: »Franciscum!« Die katholische Kirche hat nach dreizehn Tagen wieder einen neuen Hirten. Er nennt sich Franziskus.
Die Stimmung auf dem Petersplatz ist bei den ersten Worten des Kardinalprotodiakons zunächst verhalten. Als habe der Regen die Gläubigen gelähmt. Tatsächlich aber ist es die Überraschung, die vielen den Atem raubt.
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