Franziskus, der neue Papst (German Edition)
ihnen und der ganzen Welt. Nach dieser ergreifenden Szene erteilt Franziskus den berühmten Segen, seinen ersten öffentlichen Segen als Papst. Dann verabschiedet er sich. Franziskus wirkt emotional überwältigt, verhaspelt sich mehrfach. Am Ende geht der neue Papst so, wie er gekommen ist: bescheiden und mit einem Alltagsgruß: »Gute Nacht und angenehme Ruhe.«
Wenig später kommt noch ein kurzer Gruß. Diesmal auf Twitter, um 20:33 Uhr. Zwar noch unter dem Profil »Sede Vacante« und mit dem leeren Stuhl dazu, aber es ist eine Botschaft. Sie lautet ganz schlicht: »Habemus Papam Franciscum.«
WER ER IST: DER NEUE PAPST FRANZISKUS
D ie Frau war am Boden zerstört. Voller Scham, kaum dass sie sich zu sprechen getraute, wandte sie sich an den Priester vor ihr: »Padre, ich habe sieben Kinder und kein einziges wurde getauft. Ich lebe mit einer Todsünde.« Die junge Mutter, eine arme Putzfrau aus Buenos Aires, begann zu erzählen von den verschiedenen Vätern ihrer Kinder. Davon, dass sie kein Geld habe für die Taufe, dass sie sich es nicht leisten könne, sieben Paten für ihre Kinder einzuladen. Der Priester hörte ihr geduldig zu und antwortete ihr schließlich: »Wir machen das mit zwei Paten, stellvertretend für die anderen.« So passierte es und nach der Taufe und einem kleinen Imbiss im Haus des Priesters kam die Frau zu ihm und sagte: »Padre, ich kann immer noch nicht glauben, dass Sie es geschafft haben, dass ich mich wichtig fühle.« Der Priester sah die Frau an und antwortete: »Was habe ich damit zu tun? Es ist Jesus, der dich wichtig macht.«
Der Priester wird in jenes Haus nicht mehr zurückkehren, in dem er die sieben Kinder getauft hat. Es war nicht nur ein Haus, sondern das Erzbischöfliche Palais und er nicht einfach ein Priester, sondern der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio. Dass der Erzbischof nicht mehr in sein Haus zurückkehren wird, liegt daran, dass er nicht mehr Erzbischof ist. Dass er nicht einmal mehr Bergoglio heißt. Sondern Franziskus, der neue Papst der katholischen Kirche.
Die Episode mit der Frau und den sieben Kindern ist etwa vier Jahre alt und nur eine kleine am Rande, unscheinbarer als manche anderen, die nach der Wahl des 266. Nachfolgers Petri über ihn erzählt wurden. Aber gerade mit ihrer Unscheinbarkeit passt sie zu dem Mann, der Kirchengeschichte geschrieben hat. Jorge Mario Bergoglio ist der erste Südamerikaner auf dem Stuhl Petri, der erste Jesuit als »Stellvertreter Christi«, der erste Papst, der sich Franziskus nennt. Und trotz dieser historischen Rolle zeigte sich den Gläubigen bislang ein Mann wie in der Geschichte der Mutter und ihrer Kinder: unprätentiös und bescheiden. Ein Seelsorger, einer, der zu den Menschen geht. Einer, der die Anforderungen erfüllen könnte, die an den Heiligen Vater als guten Hirten gestellt werden. Einer, der wirklich »Brückenbauer« sein möchte und könnte.
Jorge Mario Bergoglio wurde geboren am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires. Die Metropole ist nach der heiligen Maria des Guten Windes benannt, eine Patronin der Seefahrer. Bergoglio wurde in einer Stadt groß, die ebenfalls gerade am Großwerden war, die sich wie der kleine Jorge im Wachstum befand. Lange Straßenzüge wurden damals aus dem Boden und in den Boden gestampft, seit der Jahrhundertwende waren viele Menschen aus der Umgebung und aus Übersee, vor allem aus Italien, nach Buenos Aires gekommen. Die Familie Bergoglios gehörte zu diesen Einwanderern, sie stammte ursprünglich aus Italien, aus dem Piemont. Bergoglio wuchs zusammen mit vier jüngeren Geschwistern auf, zwei weitere Jungen und zwei Mädchen. Jorge war der Erstgeborene, der seiner Verantwortung als Ältester pflichtbewusst nachkam. Ehemalige Lehrerinnen beschreiben ihn als sehr lebhaften, aber auch gutherzigen Jungen. Er sei ein guter Schüler gewesen, jedoch kein Überflieger, der durch außergewöhnliche Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hätte. Die Geschwister wurden erzogen von ihrer Mutter Regina Maria Sivori, die piemontesische und genuesische Vorfahren hatte. So war es die Mutter, die Jorge an die Musik heranführte. Jeden Samstag um 14 Uhr saß sie mit ihm vor dem Radio und hörte mit ihrem Sohn Opern. Zuvor hatte die Mutter den Inhalt und die Handlung erzählt, die Arien erklärt und so die Werke nähergebracht. »Für mich war es eine Schönheit, die Musik zu genießen«, erinnerte sich Bergoglio einmal später.
Mit dem Vater Mario ging Jorge einer anderen
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