Franziskus, der neue Papst (German Edition)
sich – zumindest glaubt man das zu diesem Zeitpunkt.
Am Montag, den 11. März, endet die letzte und zehnte Generalkongregation. 28 Kardinäle haben sich noch einmal zu Wort gemeldet, die Debatte dreht sich in erster Linie um die Vatikanbank IOR. Die Favoriten auf den Konklave-Sieg sind weiter die gleichen: Scherer und Scola als Hauptkonkurrenten, Ouellet als Außenseiter, dazu mehrere Geheimtipps wie Christoph Schönborn aus Wien oder Timothy Dolan aus New York. Für sie gilt: Je länger das Konklave dauert, desto höher sind ihre oder die Chancen eines Außenseiters.
Der Dienstag, der Tag des Konklaves, ist in Rom ein scheußlicher Tag. Es regnet und auf Regen ist diese Stadt noch immer nicht eingestellt. Beim Gang durch die Straßen fühlt man sich erinnert an das Bild von der Kirche als sinkendem Schiff, doch solche Schwarzmalereien will heute in der Ewigen Stadt niemand hören. Fast 6000 Journalisten beginnen ihr Tagwerk, theoretisch könnte noch heute der neue Pontifex feststehen, wenn einer der Kandidaten mindestens 77 Stimmen erhält. Zunächst jedoch folgt der Auftritt Angelo Sodanos, der Kardinaldekan hält die Predigt während der »Missa pro eligendo Romano Pontifice« (»Messe für die Wahl des Bischofs von Rom«) im Petersdom. Vor acht Jahren hatte hier der damalige Kardinal Joseph Ratzinger den Grundstein für seinen späteren Erfolg im Konklave gelegt, es war eine streitbare und politische Predigt, die das Grundsatzprogramm enthielt, das er als Papst Benedikt XVI. versuchte umzusetzen. Die Predigt von Angelo Sodano hat einen ganz anderen Charakter. Das liegt nicht nur daran, dass Sodano keine Visitenkarte abgeben muss, er darf aufgrund seines Alters ohnehin nicht am Konklave teilnehmen. Es ist eher generell so, dass die weichen Töne überwiegen. Sodano entwirft ein Anforderungsprofil des neuen »Heiligen Vaters«, das ungefähr so aussieht:
»Diese Sendung der Barmherzigkeit ist dann von Christus den Hirten seiner Kirche anvertraut worden. Es ist eine Sendung, die jeden Priester und Bischof in die Pflicht nimmt, aber mehr noch den Bischof von Rom, den Hirten der universalen Kirche.«
»Die grundlegende Haltung jedes guten Hirten ist es also, sein Leben hinzugeben für die Schafe […]. Dies gilt vor allem für den Nachfolger Petri, den Hirten der universalen Kirche. Denn je höher und universaler sein Amt ist, desto größer muss die Liebe des Hirten sein.«
Sucht die Kirche also in erster Linie einen guten Hirten? Einen erfahrenen Seelsorger und weniger einen Managertypen? Wen meint Sodano oder: Meint er überhaupt irgendjemanden? Solche Fragen schießen nach der Messe durch den Kopf, während es für die Kardinäle langsam ernst wird. Gegen 16:30 Uhr ziehen die insgesamt 115 Purpurträger in die Sixtinische Kapelle und legen dort den heiligen Eid ab. Benedikt XVI. hatte, um in Zeiten von Facebook und Twitter das Konklave-Geheimnis zu schützen, vorab jede Informationsweitergabe an Außenstehende als eine Tatstrafe festgelegt, die die Exkommunikation bedeutet. Nachdem über das 2005er-Konklave ein geheimes »Tagebuch« veröffentlicht worden war, will man diesmal sichergehen und kein Leck haben. Eine der Hauptpersonen, um die es in jenem »Tagebuch« geht, ist auch diesmal wieder dabei. Glaubt man nämlich den geheimen Aufzeichnungen, die ein bis heute anonymer Kardinal dem Journalisten Giuseppe Nardi zugespielt haben soll, dann war 2005 der Hauptkonkurrent des späteren Siegers Ratzinger der Argentinier Jorge Mario Bergoglio. Er soll 40 Stimmen auf sich vereint haben, was für eine Blockade ausgereicht hätte. Er habe jedoch, aus Liebe zur Kirche, eingelenkt und den Weg frei gemacht für Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI. Diese Gerüchte scheinen aber keine Rolle zu spielen, nicht in den Tagen zuvor und auch jetzt nicht, als der Erzbischof von Buenos Aires wie alle den feierlichen Eid spricht, der auf die von Kardinal Giovanni Battista Re vorgetragene Formel antwortet und gelobt, sich an die Konklaveordnung und das Geheimhaltungsgebot zu halten und später dem neuen Papst Gehorsam zu leisten. Der Eid ist auf Lateinisch und lautet übersetzt ins Deutsche so: »Und ich, …N…Kardinal …N…, verspreche, verpflichte mich und schwöre es, so wahr mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien, die ich mit meiner Hand berühre.« Nachdem die 115 Kardinäle ihren Eid abgelegt haben, nehmen die Kardinäle Platz, jeder hat einen festen Ort zugewiesen bekommen. Schließlich ist es so
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