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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Englisch
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das Staatssekretariat entschied und handelte, ohne ihn auch nur zu informieren, geschweige denn ihn nach seiner Meinung zu fragen. Ich glaube, dass es noch nie in der Geschichte der Päpste einen politisch so komplett entmachteten Papst gegeben hat.
    Papst Franziskus steht jetzt vor der Herausforderung, in der Kurie mit eisernem Besen ausfegen und grundlegende Reformen durchsetzen zu müssen. Er wird vor allem ein nach innen starker Papst sein und einen ähnlichen Weg gehen müssen wie Johannes Paul II ., der erst einmal nach innen, innerhalb der Kurie aufräumen musste, um dann nach außen stark werden zu können, sehr stark.
    Entscheidend für den Kampf um die Macht wird auch für Papst Franziskus das Staatssekretariat sein. Johannes Paul II . nahm es mit dem wichtigsten Amt im Vatikan auf, Benedikt XVI . zerbrach daran. Johannes Paul II . hatte von Anfang an verstanden, dass es keinen Frieden mit dem Staatssekretariat geben konnte. Man musste in diesem Kampf gewinnen – oder man verlor. Aber Karol Wojtyła war kein Mann, der gern verlor. Das musste das Staatssekretariat in den folgenden Jahren schmerzhaft erfahren.
    Damals herrschte im Vatikan eine unverhohlene Angst vor dem Riesenreich Moskaus. Viele mögen das später vergessen haben – aber der Kalte Krieg fand auch im Vatikan statt. In den 50er-Jahren schmuggelte der KGB als Priester getarnte Spione im sogenannten Collegium Russicum ein, das in der Nähe der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom liegt. Der Vatikan schlug zurück und baute eine Gegenspionage auf, die auch tatsächlich mehrere KGB -Agenten enttarnen konnte. Doch trotz einzelner Erfolge war der Vatikan beherrscht von der Vorstellung, dass man eine echte Auseinandersetzung mit Moskau niemals würde gewinnen können. In der Folge bestimmte ein Kurs der Annäherung an die Positionen Moskaus, ein Kurs, der aus Kompromissen und Zugeständnissen an das Sowjetimperium bestehen sollte, die Außenpolitik des Vatikans. Die fast schon unterwürfige Haltung der Vorgänger Papst Johannes Pauls II . gegenüber Moskau führte zu katastrophalen Fehlern wie dem Abkommen des Jahres 1964. Ein schwerer Irrtum Agostino Casarolis hatte dazu geführt, dass drei bereits bekannte Geheimagenten der Kommunistischen Partei in Ungarn zu Bischöfen geweiht wurden. Eine Katastrophe – die kommunistische Partei konnte daraufhin die katholische Kirche im Untergrund regelrecht auseinandernehmen, zahlreiche Priester landeten in Straflagern.
    Doch dann kam Karol Wojtyła. Er setzte seine Linie der totalen Konfrontation mit Moskau mit aller Macht gegen das Staatssekretariat durch, und zwar auf eine Weise, dass die Fetzen flogen. Das gleiche Staatssekretariat, das Benedikt XVI . entmachten sollte, musste unter Johannes Paul II . die Demütigung hinnehmen, dass der Papst beschloss, das Staatssekretariat in wichtige Entscheidungen einfach nicht mehr einzubeziehen. Was die Kurienkardinäle dachten, war Karol Wojtyła schlicht und einfach egal.
    Besonders deutlich zeigte sich die harte Haltung Papst Johannes Pauls II . gegenüber seinem eigenen Staatssekretär, wenn es um den für ihn wichtigsten aller Konflikte ging: Polen. Spätestens seit der Ermordung des Priester und Solidarno ść -Sympathisanten Jerzy Popiełuszko durch Mitarbeiter des polnischen Staatssicherheitsdienstes im Oktober 1984 verliefen die Verhandlungen zwischen dem Vatikan und Polen so, als befände sich das Heimatland des Papstes mit dem Vatikan in einem regelrechten Kriegszustand. Karol Wojtyła schadete dem Regime, wo immer er konnte. Im gesamten Ostblock war man sich bewusst, dass der Vatikan im Kampf um Polen eine entscheidende Rolle spielte. DDR -Staatschef Erich Honecker schrieb entsetzt nach Moskau, dass er fürchte, dass das »sozialistische Polen verloren gehen könnte«.
    In diesen zum Teil eisigen, zum Teil lautstark geführten Gesprächen zwischen Wojtyła und den polnischen Unterhändlern schloss jener seinen eigenen Staatssekretär oft aus, indem er einfach die Sprache wechselte. Statt mit der polnischen Delegation weiter Französisch zu sprechen, damit Staatssekretär Casaroli wenigstens mitbekam, worum es ging, sprach Karol Wojtyła plötzlich Polnisch – und der Kardinalstaatssekretär verstand kein Wort mehr. Das muss ihn so sehr geärgert haben, dass er begann, heimlich hinter dem Rücken seines Chefs Polnisch zu lernen – jedenfalls fand man nach seinem Tod in seiner Wohnung Polnisch-Lehrbücher. Wie sehr sich die Kurie verrechnet hatte, zeigen

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