Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
ist, was Paulus im ersten Brief an die Korinther in 7, 25 schreibt: »Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn.«
Im Neuen Testament steht also nicht, dass Priester ehelos leben müssen. Sie können es, und für manche wird das auch besser sein, sagt Paulus. Aber ein Keuschheitsgelübde, wie es die katholische Kirche einführte, lässt sich auf Jesus von Nazareth oder Paulus beim allerbesten Willen nicht zurückführen. Ein Papst könnte ohne das geringste Problem sofort den Zölibat aufheben.
Die Tatsache, dass die Kirche prinzipiell keine Einwände gegen Sex zwischen Frauen und Männern hat, führte auch dazu, dass Priester, Mönche und Päpste in den folgenden Jahrhunderten trotz der Einführung des Keuschheitsgelübdes relativ lax mit dem Verbot umgingen, auch wenn bereits 1059, im Jahr der Lateransynode, allen Priestern, die ständig, also nicht nur gelegentlich, mit Frauen zusammen waren, die Feier der heiligen Messe verboten wurde. Ein wichtiger Grund für die relative Toleranz gegenüber heterosexuellem Geschlechtsverkehr hat natürlich mit der berühmten Geschichte von der Ehebrecherin zu tun. In Johannes 8, 3–7 heißt es: »Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du?« Jesus antwortet darauf mit den berühmten Worten: »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.« Was für eine wundervolle und revolutionäre Geschichte, wie viel besser könnte diese Welt sein, wenn die Menschen manchmal einfach innehielten, um sich genau das zu fragen: Wer ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein!
Sex mit einer Frau bedeutet für einen Priester vor allem den Bruch eines der drei Gelübde, die er abgelegt hat: Neben Gehorsam und Armut geloben Priester auch Keuschheit. Ein Gelübde zu brechen ist sicher keine feine Sache, aber es ist kein Bruch eines göttlichen Gebots, sondern der eines Versprechens, das ein Mensch abgelegt hat. Und Menschen leiden nun einmal darunter, dass sie schwach sind im Fleische. Deswegen ging die Kirche mit dem heterosexuellen Geschlechtsverkehr, den Priester sich gegönnt hatten, immer relativ verständnisvoll um.
Das ist heute noch so, viele Bischöfe räumen Priestern, die sich verliebt und auch Sex hatten, eine Bedenkzeit ein, bevor sie sie aus der Kirche werfen. Eines der berühmtesten Beispiele ist der Pfarrer von Introd im Aostatal, wo Papst Benedikt XVI . 2005 seinen Urlaub verbrachte. Der Pfarrer des Orts war Don Paolo Curtaz, mit dem sich der Papst mehrfach getroffen hatte. Doch Don Curtaz hatte das nicht frommer gemacht, er hatte eine hübsche Frau seiner Gemeinde geschwängert. Der Bischof ließ ihm dennoch ein Jahr Zeit, sich zu entscheiden, ob er weiter Pfarrer bleiben oder seinen Pflichten als Vater nachkommen wolle.
Anders sieht es aus, wenn Priester Sex mit einem Mann haben. Denn nach der Meinung von Paulus hat Gott etwas gegen homosexuelle Beziehungen. Von Jesus von Nazareth hingegen ist kein Wort zur Homosexualität bekannt. Wenn er etwas dagegen gehabt hätte, dann hätte er möglicherweise auch etwas dazu gesagt. Er schweigt zu diesem Thema, verteidigt aber auch nicht Homosexuelle, wie er es etwa im Fall der Ehebrecherin getan hat, denn schließlich ist Homosexualität für fromme Juden ebenso wie Ehebruch verboten. Im Buch Levitikus heißt es in 20, 13: »Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, so haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft, ihr Blut soll auf sie kommen.« Im Neuen Testament sieht Paulus das genauso, er schreibt im Brief an die Römer in den berühmten Versen 1, 26–27: »Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus, ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrungen.«
Diese Paulus-Stelle sorgt bis heute dafür, dass ein Großteil der Theologen, auch Benedikt XVI ., davon ausgehen, dass homosexuelle Beziehungen von Gott als Verirrung angesehen werden und es als »Unzucht« gilt, wenn Männer mit Männern schlafen. Ein Priester, der Sex mit einem Mann
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