Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Hintergrund eines noch am Leben befindlichen deutschen »Papstes emeritus« im Vatikan über die Bühne gehen sollte. Der Papst würde auf einer Reise nach Deutschland wohl mit Geschenken, Glückwünschen, Botschaften für seinen Vorgänger überschüttet werden. Was sollte er dann tun? Sollte er sagen, dass er sich ohnehin häufig mit Papst Benedikt XVI . treffen, dass er ihm die Geschenke selber bringen, dass er ein enges Verhältnis zu ihm pflegen wolle? Das würde den Kern des Problems treffen: Eine absolute Monarchie ist eine absolute Monarchie – für einen zweiten Herrscher ist da kein Platz. Wenn ein regierender Papst den Eindruck erweckt, dass er dem noch lebenden Vorgänger sehr verbunden ist, dann würde es sofort in der Weltkirche zu Missstimmungen kommen, weil nicht klar ist, wer die Kirche denn eigentlich regiert.
Papst Franziskus weiß aber auch, dass es peinlich und unhöflich sein würde, wenn er während einer Deutschlandreise nicht eine gewisse Nähe zu seinem Vorgänger demonstriert. Er müsste sich ständig Fragen nach Joseph Ratzinger gefallen lassen: Wie es ihm gehe. Was er, Benedikt XVI . emeritus den Deutschen zu sagen habe. Was sollte Papst Franziskus dann antworten? Dass Ratzinger gar nichts mehr zu sagen hat, dass er stillhalten muss, weil jetzt nur noch der neue Papst zu den Deutschen spricht? Das ginge natürlich nicht. Und ein Grußwort von Ratzinger würden viele Gläubige als ein Grußwort des Papstes ansehen. Jedes Wort des neuen Papstes würde an den Worten des alten Papstes gemessen, und so würde Franziskus ganz im Banne des Joseph Ratzinger stehen.
Anstatt sich den komplizierten Problemen eines Deutschlandbesuchs zu stellen, könnte Papst Franziskus die Reise einfach auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, aber dann wäre bereits genau das eingetreten, was im Vatikan auf gar keinen Fall geschehen sollte: dass Benedikt XVI . die Entscheidungen seines Nachfolgers allein durch seine Existenz als eine Art Schattenpapst bestimmt. Wie immer Papst Franziskus sich im Hinblick auf eine Deutschlandreise auch entscheidet, welchen Termin er auch wählen mag, es wird in jedem Fall eine hochsensible Angelegenheit.
Die Problematik eines Deutschlandbesuchs ist aufgrund der deutschen Geschichte auch eng mit einer weiteren delikaten Mission verbunden: einer Reise ins Heilige Land, nach Israel. Schon unmittelbar nach dem Rücktritt Benedikts XVI . forderte der Kustos des Heiligen Landes, Pater Pierbattista Pizzaballa, dass der neue Papst so bald wie möglich die Region besuchen solle.
Nach der Vertreibung der Kreuzritter waren die Franziskanerpater die einzigen Vertreter der katholischen Kirche, die in Palästina blieben. Papst Clemens VI . beauftragte sie mit der Bewachung der heiligen Stätten. Als das lateinische Patriarchat 1847 in Jerusalem wieder errichtet wurde, waren die Franziskaner die einzigen römisch-katholischen Priester im Heiligen Land. Noch heute werden die Wächter Kustoden genannt. Um eine Reise ins Heilige Land kommt Papst Franziskus nicht herum, weil die Pflege der Beziehungen zu Israel seit der historischen Reise Papst Pauls VI . nach Jerusalem im Januar 1964 zu den Kernpunkten der Außenpolitik eines jeden Papstes zählt.
Für Franziskus wird diese Reise zur komplizierten Nagelprobe. Denn es gibt wahrscheinlich keine andere Geheimdienstaktion des Mossad, die in Israel so präsent ist wie die Entführung des Adolf Eichmann aus Argentinien. Argentinien hatte damals kein Auslieferungsabkommen mit Israel, die israelische Regierung wollte aber nicht zusehen, wie der des Massenmords schuldige Eichmann in Freiheit seinen Lebensabend in Buenos Aires genoss. Franziskus wird sich von der israelischen Öffentlichkeit vorwerfen lassen müssen, dass er der Partei beitrat, deren Chef Juan Domingo Perón es den Nazi-Verbrechern ermöglichte, nach Argentinien zu fliehen und dort unbehelligt zu leben.
Die Reise wird aber auch deshalb nicht einfach sein, weil viele Israelis ihre Enttäuschung über das Verhältnis Benedikts XVI . zum Judentum nicht verbergen können. Schon während seiner Polenreise im Mai 2006 hatte der Papst für schwere Verstimmungen mit Israel gesorgt wegen seiner Erklärungen im Konzentrationslager Auschwitz. Als der Papst die Pforten der Hölle auf Erden durchschritten hatte, sprach er als Deutscher, der die Nationalsozialisten noch als Jugendlicher erlebt hatte, darüber, wie es zum industriellen Massenmord in Auschwitz hatte kommen können. Er sagte, dass er
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