Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Organisation der Flucht von Nazi-Schlächtern nach Argentinien ein Topthema ist: Deutschland. Nirgendwo sonst wird Papst Franziskus auf dieses dunkle Kapitel der Geschichte seines Heimatlandes Argentinien so sehr eingehen müssen. Eines dürfte dem Mann aus Buenos Aires schon in den ersten Wochen seines Pontifikats klar geworden sein: Ein Besuch in Deutschland wird sehr, sehr schwierig werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Reiseorganisatoren des Vatikans Franziskus fragen werden: Wann wird die Papst-Dienstmaschine der Alitalia erstmals auf den Flughäfen von München und Berlin landen?
Die Deutschlandreise von Papst Franziskus wird eine der schwierigsten Bewährungsproben seiner Amtszeit sein, denn für den Vatikan ist dies eine neue Situation. Seit dem Besuch Papst Pauls VI . im September 1972 in Venedig ist es Tradition, dass ein Papst in die Diözese seines Vorgängers reist. Das war für Paul VI . ebenso wenig ein Problem wie für Johannes Paul II ., beide mussten nur nach Venedig reisen, denn ihre Vorgänger Johannes XXIII . und Johannes Paul I. waren Patriarchen der Lagunenstadt gewesen. Auch Benedikt XVI . akzeptierte, dass es Anstand und Tradition geboten, zunächst in das Heimatland seines Vorgängers zu reisen. So hatte seine erste Reise, die er selbst planen konnte, das Ziel Polen. Die allererste Reise, die er unternehmen musste, führte ihn zum Weltjugendtag nach Köln, aber die hatte bereits sein Vorgänger verabredet. Die zweite Reise ließ Benedikt XVI . so organisieren, dass er alle Städte besuchen konnte, die Karol Wojtyła wichtig gewesen waren und wo man den neuen Papst erwartete. Auf dem Programm standen zunächst die Hauptstadt Warschau, anschließend das Zentrum der Heimatdiözese Johannes Pauls II ., Krakau, dann dessen Geburtsort Wadowice und schließlich die für Johannes Paul II . wichtigste polnische Wallfahrtsstätte Jasna Góra bei Czstochowa.
Die Reise in das Land seines Vorgängers war für Benedikt XVI . von allerhöchster Priorität, eine solche Reise scheint also auch für Franziskus unausweichlich. Anderenfalls würden dies die zahlreichen Anhänger Benedikts XVI . in der Kurie als grobe Unhöflichkeit ansehen. Falls Papst Franziskus entsprechend handelt, müsste er zunächst nach Berlin reisen, von dort nach München, in die Stadt, in der Joseph Ratzinger Erzbischof gewesen war, anschließend in dessen Geburtsort Marktl am Inn und schließlich nach Altötting, den Lieblingswallfahrtsort des Joseph Ratzinger. Doch diese Reise hat auch eine gewisse Brisanz, vor allem im Hinblick darauf, wie Franziskus mit der Verwicklung der Kirche in die Flucht der Nazi-Größen und wie er mit seinem Vorgänger umgehen soll.
Jeder neue Papst muss ja betonen, wie sehr er seinen Vorgänger verehrt. Ist dieser tot, ist das unproblematisch. Im Fall eines emeritierten Papstes stellt sich die konkrete Frage, wie der Nachfolger der Verehrung für seinen Vorgänger Ausdruck verleihen soll: Soll er sich mit ihm treffen, ihn zurate ziehen, ihn in seinen Beraterstab holen? Damit würde sich der neue Papst aber unweigerlich den Vorwurf einhandeln, dass er den alten Papst hineinreden, vielleicht sogar hineinregieren ließe. Soll er also das Gegenteil tun, den alten Papst meiden, wo er kann, ihn allein erst in Castel Gandolfo und dann in seinem Kloster sitzen lassen? Das wäre vermutlich korrekter, aber zweifellos würde das sehr unhöflich wirken. Was die Experten damals Papst Paul VI . prophezeit hatten, ist jetzt eingetreten – eben dadurch, dass Joseph Ratzinger noch unter den Lebenden weilt und quasi als »Schattenpapst« fungiert, an dem der neue Papst ständig gemessen wird.
Päpste reisten bisher in die Diözese ihres verstorbenen Vorgängers, um seiner zu gedenken und ihn zu ehren – vor dessen Landsleuten. Aber Joseph Ratzinger ist nicht tot. Wenn Papst Franziskus den Wunsch verspürt, Joseph Ratzinger zu ehren, dann braucht er nur die kurze Fahrt nach Castel Gandolfo zu unternehmen, um ihm dort seinen Dank abzustatten. Eine Deutschlandreise zu verschieben, bis Ratzinger eines Tages verstorben sein würde, würden dessen Freunde in der Kurie ablehnen, weil das pietätlos erscheinen könnte. Papst Franziskus kann sich unmöglich dem Vorwurf aussetzen, er warte geduldig auf den Tod des Joseph Ratzinger, um den Weg frei zu haben für eine unproblematische Deutschlandreise.
Papst Franziskus muss sich also die Frage stellen, wie das Kunststück einer erfolgreichen Deutschlandreise vor dem
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