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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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zwang er
sich zur Ruhe. Seine Bedenken waren unlogisch. Schneider konnte
kein Spitzel sein. Er hatte noch keinen Versuch unternommen, ihn
auszuhorchen. Wenn der Plan also darin bestand, dass Schneider sich
sein Vertrauen erschleichen sollte, um mehr zu erfahren, als in der
Zelle besprochen worden war, gab es noch
keinen Grund, ihn wieder in Haft zu nehmen. Ein wenig beruhigt,
spähte Goldstein durch eine der Ritzen zwischen den
Ölfässern. Es dämmerte. Allzu spät konnte es
noch nicht sein.
    Was hatte Schneider
gestern über ihren Aufenthaltsort gesagt? Irgendetwas von
einem Kohlelager in einem Hafen. Das hieß, dass hier Kohle
auf Schiffe verladen wurde. Deshalb auch die Kräne, die er
gestern ausgemacht hatte. Plötzlich wurde Goldstein klar: Sie
hatten sich nicht in einem abgelegenen Teil der Anlage versteckt,
sondern quasi mittendrin. Es war nur eine Frage der Zeit, bis in
diesem Betrieb die Arbeit aufgenommen wurde. Und damit würde
natürlich die Gefahr einer Entdeckung steigen. Nicht nur
Kälte ließ ihn frösteln.
    Wie zur
Bestätigung heulte in diesem Moment ganz in der Nähe eine
Sirene. Arbeitsbeginn, dachte Goldstein. Kurz darauf erzitterte die
Erde, auf der er lag. Motorengeräusch war zu hören.
Anscheinend hatten sich die schweren Kräne in Bewegung
gesetzt. Feiner Kohlenstaub löste sich von den Brettern und
rieselte auf ihn herab. Keine Frage, er musste hier verschwinden.
Und das sofort.  
    Goldstein versuchte,
zwischen den Fässern hindurch seine Umgebung auszuspähen.
Es war keine Menschenseele zu entdecken. Bemüht, kein
unnötiges Geräusch zu verursachen, schob er ein Fass zur
Seite und kroch ins Freie. Niemand in der Nähe. Goldstein
richtete sich auf, streckte seine Glieder und schlich zur Ecke des
Schuppens, hinter dem sie Schutz gesucht hatten. Vorsichtig
sondierte er die Lage. Einige hundert Meter entfernt waren Arbeiter
zu sehen. Noch weiter hinten dampfte eine Lokomotive.
    Ein Geräusch
hinter ihm erschreckte ihn fast zu Tode. Er fuhr herum.
    »Morgen. Gut
geschlafen?« Adolf Schneider streckte ihm ein Stück Brot und eine
Feldflasche entgegen. »Hier, iss. Brot und Wasser. Besser als
nichts.«
    »Wo bist du
gewesen?«
    »Transportmittel
besorgen. Oder willst du den ganzen Weg zu Fuß
gehen?«
    »Was für
Transportmittel?« Goldstein biss ins Brot und trank einen
Schluck Wasser. Es schmeckte köstlich. Er merkte erst jetzt,
wie hungrig und durstig er war.
    »Fahrräder.
Und nun komm.«
    Schneider zog ihn mit
sich Richtung Westen, weg von den Kränen und Zügen. Nach
einigen hundert Metern erreichten sie einen Feldweg, der auf eine
Straße führte. Dort bewachte ein Goldstein unbekannter
Mann drei Fahrräder.
    »Das ist ein
Freund von mir«, erklärte Schneider. »Sein Name
tut nichts zur Sache. Er wird uns über die Kanalbrücke
begleiten. Je mehr wir sind, desto weniger fallen wir den Posten
auf.«
    Er zeigte auf eines
der Räder und schwang sich selbst auf ein anderes.
    »Keine
Angst«, meinte Schneider, als sie sich der Brücke
näherten und er Goldsteins Nervosität bemerkte. »Du
siehst aus wie ein echter Malocher. Hast ja schließlich den
Kohlenstaub in den Klamotten. Ist zwar, als ob du von der Schicht
kommst und nicht zur Schicht fährst, aber das wird den
Franzmännern nicht auffallen.«
    Schneider sollte recht
behalten. Ohne angehalten zu werden, radelten sie an den Posten
vorbei auf die nördliche Seite des Kanals. Dort verabschiedete
sich Schneiders Freund.
    Eine Stunde
später erreichten die beiden Männer eine
Kleingartenanlage am Rand von Sodingen. Schneider stellte sein Rad
ab und hieß Goldstein, auf ihn zu warten. Dann verschwand er
zwischen den Gärten.
    Als er kurz darauf
wieder auftauchte, lächelte er zufrieden: »Alles
klar.« Sie schoben die Räder zu einem Schuppen inmitten
der Gärten und verstauten sie darin. Schneider klaubte einen
Schlüssel aus einem auf einem Regal stehenden
Blumentopf.
    »Unsere
Eintrittskarte«, lachte er und ging zu einer kleinen, aus
Stein gemauerten Laube gegenüber und schloss sie
auf.
    »Der
Schrebergarten gehört einem Freund von mir.« Schneider
ließ sich auf einen Stuhl fallen und zündete sich eine
Zigarette an.
    »Du hast
ziemlich viele Freunde«, bemerkte Goldstein
lakonisch.
    »Völlig
richtig. Wir werden ein paar Tage hierbleiben, bis sich die Lage
etwas beruhigt hat.« Er zeigte auf das einzige Sofa im Raum.
»Wir schlafen abwechselnd, sodass einer von uns immer Wache
schieben kann. Feuer können wir leider nur

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