Franzosenliebchen
ein paar Meter.«
Wenige Sekunden
später verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Er richtete
sich etwas auf und drückte den Zündhebel mit aller Kraft
nach unten.
Einen Moment passierte
nichts. Wilfried Saborski sah erstaunt zu Schneider hinüber.
Der zuckte nur ratlos mit den Schultern. Dann erschütterte
eine ohrenbetäubende Explosion die Gegend. Die Druckwelle
presste die Saboteure auf den Boden. Ein Regen kleinerer Steine
ging auf sie nieder und der folgende Staub nahm ihnen den Atem. Ein
Kreischen übertönte kurz alles andere. Und dann,
Stück für Stück, platschten Teile der Brücke
ins Wasser.
Die Deutschen krochen
aus dem Graben und klopften sich den Staub von den Kleidern.
Grinsend machte Saborski seine Kumpane darauf aufmerksam, dass der
Fahrer des französischen Lkw gewendet hatte und mit hoher
Geschwindigkeit davonfuhr.
»Dem geht der
Arsch auf Grundeis«, lachte er und schlug Schneider
anerkennend auf die Schulter. »Lasst uns gehen. Auftrag
erfolgreich ausgeführt.«
Mit jedem Schritt, mit
dem die drei Männer sich von der Brücke entfernten, wurde
das Wimmern der sterbenden französischen Soldaten
leiser.
24
Donnerstag, 22.
Februar 1923
Martha Schultenhoff
und Peter Goldstein beschränkten sich auf den Austausch von
Belanglosigkeiten und vermieden es, über ihre Liebesnacht zu
sprechen.
Goldstein hatte,
nachdem er auf dem Bahnhof in Börnig mit dem französischen
Soldaten gesprochen hatte, noch einige Stunden versucht, seine
Eisenwaren an den Mann zu bringen und dabei Informationen zu
sammeln, beides jedoch ohne Erfolg. Am frühen Nachmittag war
er durchgefroren und hungrig in die Teutoburgiastraße
zurückgekehrt. Martha hatte ihm dünne Suppe warm gemacht
und ihn mit wenigen Worten darüber informiert, dass ihr Bruder
Ewald mit ihm sprechen wolle. Als Treffpunkt hatte Wiedemann wieder
den Herner Stadtgarten vorgeschlagen.
»Er erwartet
dich morgen Mittag. Punkt zwölf Uhr.« Falls sich Martha
darüber wunderte, dass sich Goldstein und ihr Bruder statt in
dessen Büro im Rathaus oder einer Speisegaststätte in
einem zugigen Park trafen, zeigte sie das nicht, sondern wandte
sich sogleich wieder ihren Näharbeiten zu.
Am heutigen Morgen
hatte Peter Goldstein das Haus früh verlassen und war, um das
Fahrgeld für die Straßenbahn zu sparen, zu Fuß
nach Herne gelaufen. Glücklicherweise hatte sich der Nebel
vollständig aufgelöst und die Sonne schien. Goldstein
genoss den Marsch durch die klare Winterluft. Bald wurde es ihm
warm. Er lockerte den Schal, öffnete den obersten Jackenknopf
und atmete tief durch. Ein wirklich schöner Tag.
Obwohl Goldstein den
Stadtpark vor der vereinbarten Zeit erreichte, wartete der Herner
schon auf ihn.
»Lassen Sie uns
wieder einige Meter gehen«, schlug Wiedemann vor. »Dann
erkennen wir mögliche Verfolger leichter.«
Die beiden Männer
schlugen den Weg ein, der tiefer in den Park führte. Von Zeit
zu Zeit schaute sich Wiedemann prüfend um, aber sie blieben
allein.
»Haben Sie schon
von dem Anschlag gehört, der gestern Abend auf eine
Kanalbrücke verübt wurde?«, erkundigte sich
Wiedemann.
»Nein.«
»Fünf
französische Soldaten sind getötet worden, drei schwer
verletzt. Die Brücke ist vollständig zerstört. Die
Fahndung nach den Attentätern läuft auf
Hochtouren.« Wiedemann berichtete in einem Tonfall, der
keinerlei Rückschlüsse darauf zuließ, ob er die Tat
billigte. »Die französische Militärpolizei hat
inzwischen mehrere Deutsche unter dem Vorwand verhaftet,
Widerstandsgruppen anzugehören. Ich bin sicher, dass diese
Verhaftungen nur der Anfang sind. Sie sollten also besonders
vorsichtig sein. Haben Sie schon etwas erreicht?«, fragte er
unvermittelt.
Goldstein berichtete
von seinen gestrigen Aktivitäten und übergab Wiedemann
die Zigarettenschachtel.
»Ich werde die
Untersuchung veranlassen. Leider sind wir nicht mehr im Besitz des
Koppels, mit der die kleine Treppmann erwürgt wurde. So
können wir keinen Abgleich der Abdrücke vornehmen. Wenn
denn überhaupt Abdrücke zu finden sind. Wir werden
sehen.«
»Mich würde
interessieren, ob es in Herne französische Zigaretten zu
kaufen gibt.«
»Kaufen
können Sie vermutlich keine. Aber die Franzosen haben eigene
Nachschubwege. Sie haben sicherlich welche.«
»Kann die jeder
französische Soldat erwerben?«
»Da bin ich
überfragt.« Wiedemann lächelte. »Aber nach
meinen eigenen Erfahrungen beim Militär werden wohl vor allem
die Offiziere bedient werden.«
Goldstein
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