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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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werden
Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass die
Geschäftspolitik Ihres Hauses einen gewissen Einfluss auf die
übrige Herner Kaufmannschaft hat.«
    »Das will ich
wohl meinen«, bestätigte Schafenbrinck. »Ich bin
führendes Mitglied im Verein für Handel und Gewerbe. Und
als größtes Haus am Platze …«
    »Eben. Man
orientiert sich an Ihren Meinungen und
Handlungen.«
    »Worauf wollen
Sie hinaus?«
    »Soweit mir
bekannt ist, denken Sie wie ein deutscher
Patriot?«
    »Selbstverständlich.
Niemand hat Grund, an meiner nationalen Gesinnung zu
zweifeln«, bekräftigte der Kaufmann.
    »Gut. Denn man
erwartet von Ihnen, dass Sie ein Signal setzen.«
    »Wer erwartet
das von mir?«
    »Das deutsche
Volk.«
    Für einen Moment
war Schafenbrinck verblüfft und er kraulte gedankenverloren
seinen Bart. Dann lachte er kurz auf. Ȇbertreiben Sie
da nicht ein wenig?«
    »Nein,
keineswegs.«
    »Also, das
müssen Sie mir genauer erklären.«
    »Gern.«
Trasse griff in seine Jackentasche und zog ein Blatt Papier hervor.
»In Recklinghausen wird morgen ein Flugblatt verteilt werden,
das von allen im Stadtgebiet vertretenen Organisationen und
Gewerkschaften einstimmig verabschiedet wurde. Ich lese Ihnen den
Text kurz vor: An die Handel- und Gewerbetreibenden
Recklinghausens! Die Unterzeichneten Organisatoren verlangen von
den Handel- und Gewerbetreibenden die sofortige Einstellung des
Verkaufs von Waren jeglicher Art an die Besatzungstruppe. Pflicht
eines jeden Gewerbetreibenden ist es, Waren nur an die deutsche
Bevölkerung zum Verkauf zu bringen. Ein Verräter am
deutschen Volke, insbesondere aber an der vergewaltigten
Ruhrbevölkerung ist derjenige, der unserer Aufforderung nicht
nachkommt. Die Unterzeichneten Organisatoren werden wirkungsvolle
Maßnahmen gegen die Außenseiter zu treffen wissen und
auch für die Veröffentlichung der Namen Sorge tragen. Wir
erwarten, dass Sie sich dem Anliegen der Recklinghäuser
Organisationen nicht verschließen werden und auch in Herne
den Warenverkauf an die Franzosen
beenden.«   
    Schafenbrinck stand
auf und ging zu dem dreitürigen Eichenschrank, der neben dem
Fenster stand. Er öffnete die mittlere Tür, holte eine
Flasche Cognac heraus und hielt sie hoch. »Sie auch?«,
fragte er.
    »Gern.«
    Der Kaufmann goss ein
und kehrte mit zwei gefüllten Schwenkern zu seinem Platz
zurück. »Den Franzosen dürfte das nicht
gefallen.«
    Trasse prostete
Schafenbrinck zu und nahm einen Schluck. »Sicher
nicht.«
    Beide schwiegen eine
Weile. Dann ergriff erneut der Regierungsrat das Wort: »Sie
kennen die Polizeiverordnung des Herrn Oberpräsidenten
für die Provinz Westfalen vom September letzten
Jahres?«
    »Sie meinen das
Verbot des Kleinverkaufs von Waren an
Ausländer?«
    Trasse
nickte.
    »Natürlich.
Ich befürchte allerdings, dass die Franzosen nicht besonders
viel von dieser Anweisung halten.«
    »Werden Sie dem
Gebot folgen?« Eine unausgesprochene Drohung schwang in
Trasses Worten mit. »Es dürfte Ihren Geschäften -
und damit meine ich ausdrücklich auch Ihre zukünftigen
Geschäfte in meinem Verantwortungsbereich -nicht schaden, wenn
Sie deutlich machen, auf wessen Seite Sie stehen.«
    Schafenbrinck erhob
sich, lief zum Fenster und erwiderte verärgert: »Herr
Regierungsrat, ich muss doch sehr bitten. Wie ich schon bemerkte,
steht meine nationale Gesinnung außerhalb jeden
Zweifels.«
    »Selbstverständlich.
Ich kann also davon ausgehen, dass Sie sich im Sinne dieses
Flugblattes verhalten?«
    Schafenbrinck kehrte
zum Tisch zurück und prostete Trasse zu. »Nicht nur das.
Ich werde veranlassen, dass dieser Aufruf noch heute auf meine
Kosten gedruckt wird. Schon morgen werde ich die Mitglieder des
hiesigen Gewerbevereins zu einer außerordentlichen Sitzung
zusammenholen, um den Appell beschließen zu lassen. Das
dürfte nicht mehr als eine Formsache sein. Schließlich
sind wir alle Patrioten.«

26
    Donnerstag, 22.
Februar 1923
    Es regnete heftig, als
Peter Goldstein vor der Kneipe stand, in der die Franzosen
verkehrten. Er sah sich um. Die wenigen Gaslaternen warfen nur
gedämpftes Licht in die menschenleere
Wilhelmstraße.
    Als Goldstein den
Schankraum des Fässchen betrat, verstummten für einen
Moment die Gespräche und die wenigen Anwesenden musterten ihn
teils prüfend, teils gelangweilt. Der Polizist schlug den
Kragen seiner Jacke herunter, knöpfte sie auf und stellte sich
an die Theke.
    »Ja?«,
erkundigte sich der Wirt, ein feister Glatzkopf mittleren

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