Franzosenliebchen
nickte
nachdenklich. Und war die Marke Nil nicht sogar auch in Frankreich
im Handel erhältlich? Keineswegs schloss sein Fund aus, dass
es Franzosen gewesen waren, die in der Ruine gewartet hatten.
»Können Sie in Erfahrung bringen, ob die beiden
deutschen Schutzpolizisten, die den Keller durchsucht haben, auch
das Erdgeschoss der Ruine in Augenschein genommen
haben?«
»Natürlich.
Das ist kein Problem.«
»Gut. Noch eine
Frage. Kennen Sie die Gaststätte Zum
Fässchen«
»Ja. Hat einen
ziemlich schlechten Ruf. Zu den ständigen Gästen dort
gehören Franzosen und ihre Liebchen.« Der
Verwaltungssekretär spuckte voller Verachtung aus.
»Anständige Deutsche meiden das Lokal. Warum wollen Sie
das wissen?«
Der Polizist
erzählte von seinem Gespräch mit dem französischen
Soldaten am Bahnhof in Börnig und seinem Vorhaben, sich in der
Gaststätte umzuhören.
Wiedemann
schüttelte verwundert den Kopf. »Wie konnten Sie ein
solches Risiko eingehen? Wenn der Soldat seine Vorgesetzten
über das Gespräch informiert, laufen Sie Gefahr,
aufgespürt zu werden.«
»Das war mir
klar. Aber irgendwie muss ich an die beiden Soldaten herankommen,
die des Mordes verdächtigt werden. Warum nicht
so?«
»Sie müssen
wissen, was Sie tun. Trotzdem ist Ihr Vorhaben riskant. Nicht nur
wegen der Franzosen. Kein ordentlicher Deutscher betritt das
Fässchen. Und selbst bei manch einem der Zuhälter regt
sich mittlerweile so etwas wie Nationalstolz. Wir beobachten sehr
sorgfältig, wer sich mit Franzosen einlässt. Also
Vorsicht!«
»Wer ist
›wir‹?«
Wiedemann sah den
Berliner verwundert an. »Patrioten, die ihr Vaterland
lieben.«
Goldstein fragte
lieber nicht weiter. »Vielen Dank für die Warnung. Aber
ich glaube, ich werde trotzdem dort hingehen. Mir scheint, dass das
die einzige Möglichkeit ist, Kontakt zu den französischen
Soldaten herzustellen. Oder haben Sie eine bessere
Idee?«
»Nein.«
Wiedemann machte eine Kopfbewegung nach links. »Sehen Sie
dort? Eine Streife. Wir sollten uns einen anderen Weg
suchen.«
Peter Goldstein
schaute in die angegebene Richtung. Tatsächlich näherten
sich ihnen zwei französische Soldaten.
Die Spaziergänger
bogen bald möglichst rechts ab, um aus dem Blickfeld der
Streife zu verschwinden.
Sofort beschleunigte
Wiedemann seinen Schritt. »Kommen Sie,
schnell.«
Sie verließen
den Park und änderten erneut den Kurs. Schließlich
verbargen sie sich in einem Hausflur. »Wir sollten hier
warten. Ich weiß zwar nicht, ob die Franzmänner es auf
uns abgesehen hatten, aber sicher ist sicher.«
Die beiden Männer
zogen sich noch weiter in das Halbdunkel des Flures zurück.
Wiedemann prüfte, ob die Tür, die zum Hof
hinausführte, verschlossen war. War sie nicht.
Der Herner lugte auf
den Hof. »Sollte die Streife dieses Haus betreten, laufen Sie
los. Im Hof wenden Sie sich nach rechts. Springen Sie über den
kleinen Zaun und halten Sie sich dann links. Die Einfahrt
führt auf die Straße. Über die gelangen Sie ins
Zentrum. Dort dürften Sie weniger
auffallen.«
»Und
Sie?«
»Ich bleibe
hier. Ich bin Herner Verwaltungsbeamter, zuständig unter
anderem für die Einhaltung von Bauvorschriften. Und darf mich
deshalb auch in den Hausfluren anderer Leute aufhalten.«
Wiedemann grinste.
Aber ihre
Vorsichtsmaßnahme war überflüssig. Nach zehn
Minuten war klar, dass die Militärstreife einen anderen Weg
als sie genommen hatte. Goldstein und Wiedemann verließen ihr
Versteck.
»Ach,
übrigens. Fast hätte ich das vergessen.« Wiedemann
drückte Goldstein einen Umschlag in die Hand. »Ihre
Vergütung für diesen Monat. Berlin hat mich angewiesen,
Sie zu bezahlen. Allerdings kann ich Ihnen nur Dollar geben. Aber
das sollte Ihnen eigentlich nur recht sein, oder?«
Goldstein warf einen
Blick in den Umschlag und schluckte. Darin befanden sich
dreißig Dollar. Ein kleines Vermögen!
Sie verabredeten sich
für den kommenden Sonntagmorgen vor der Kreuzkirche.
»Unter den Kirchgängern werden wir sicher nicht
auffallen«, meinte Wiedemann und verabschiedete
sich.
Gemütlichen
Schrittes bummelte Goldstein in die Herner Innenstadt. Er betrat
eine Sparkassenfiliale und schob dem Bankangestellten einen
Zehndollarschein hin. »Bitte wechseln Sie mir das in
Reichsmark«, bat er.
Der Mann hinter dem
Schalter musterte den Schein. »Einen Moment«, sagte er
dann, stand auf und verschwand. Wenige Augenblicke später
kehrte er in Begleitung eines älteren
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