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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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erwogen, zu
verkaufen?«
    Natürlich hatte
sie das. Und das sogar schon gemeinsam mit Abraham. Sie hatten
überlegt, wie es wäre, als gut situierte
Frühpensionäre beispielsweise in einem Ostseebad zu
leben. Schließlich hatten sie keine Erben. Aber immer hatte
sich ein Argument gefunden, das gegen den Verkauf sprach. Vor allem
wohl, weil das Geschäft Abrahams Lebensinhalt dargestellt
hatte.
    »Eigentlich
nicht«, log sie trotzdem. »Aber bitte sprechen Sie
weiter.«
    »Natürlich
sollten Sie nicht das gesamte Unternehmen veräußern. Nur
einen Teil, sagen wir, fünfundvierzig Prozent. So bleiben Sie
Mehrheitseigner, bestimmen die Geschäftspolitik. Gleichzeitig
fließen Mittel in Ihre Firma, über die Sie verfügen
und mit denen Sie die Expansion in Recklinghausen finanzieren
können. Und bei einer geschickten Verkaufsstrategie
müsste noch genug übrig bleiben, dass Sie auch Ihr
Privatvermögen angemessen aufstocken
können.«
    Der Gedanke gefiel
ihr. Das hörte sich so an, als könnte sie ihre
finanziellen Probleme mit einem Schlag beseitigen. »Wie genau
habe ich mir eine solche Strategie
vorzustellen?«   
    Der Regierungsrat
lächelte fein. »Bis wann müssen Sie die Mittel
für den Umbau des neuen Hauses
bereitstellen?«
    »Mein Buchhalter
sagt, spätestens im Oktober.«
    »Das ist
ideal.«
    »Wieso?«
    »In diesen
Zeiten ist jeder bestrebt, sein Geld in Sachwerten anzulegen.
Deshalb werden dafür Preise gezahlt, die auch auf Fremdwährungsbasis
überdurchschnittlich hoch sind.«
    »Das sagte schon
mein Mann. Ist es denn dann vernünftig, ausgerechnet jetzt zu
verkaufen?«
    »Nein.«
    Ernestine
Schafenbrinck verstand die Welt nicht mehr. »Aber Sie sagten
doch gerade …« 
    Trasse hob die Hand.
»Bitte warten Sie und lassen Sie es mich erklären. Es
wäre unvernünftig, zum heutigen Zeitpunkt zu verkaufen.
Aber nicht, jetzt schon einen entsprechenden Vertrag rechtswirksam
zu vereinbaren. Die Transaktion sollte dann allerdings erst in drei
oder vier Monaten erfolgen.«
    Ernestine
Schafenbrinck war vollends verwirrt. »Ich glaube, ich kann
Ihnen nicht folgen.«
    Regierungsrat Trasse
schaute sich um, so als ob er sich versichern wollte, keine
überflüssigen Zuhörer zu haben. »Die
Reichsregierung plant drastische Maßnahmen gegen die
Geldentwertung. Eine Währungsreform. Die vorbereitenden
Arbeiten sind seit Wochen im Gange. Auch ich bin damit befasst.
Natürlich dürfen diese Maßnahmen nicht vorzeitig
publik werden, weil sonst Spekulanten den Erfolg unserer Arbeit
gefährden könnten. Deshalb unterliegen unsere
Aktivitäten auch strengster Vertraulichkeit.« Ernst
fragte er: »Ich kann mich doch auf Ihre Diskretion
verlassen?«
    Sie nickte heftig.
»Selbstverständlich.«
    »Das habe ich
nicht anders erwartet. Wobei ich Sie nur deshalb ins Vertrauen
ziehe, weil Ihr Mann sein Leben für Deutschland gegeben hat
und das Vaterland Ihnen etwas schuldet. Geld kann Ihnen
natürlich den Gatten nicht ersetzen, aber Ihr Leid etwas
lindern.«
    Ernestine
Schafenbrinck nickte voller Demut und war gespannt, was folgen
würde.    
    »In genau drei
Monaten treten die Maßnahmen in Kraft. Sie werden
Deutschlands Wirtschaft auf einen Schlag stabilisieren, das kann
ich Ihnen versichern.« Trasse flüsterte nun fast.
»Die Nennbeträge der Reichsmark werden um mindestens den
Faktor zehn reduziert. Das heißt, aus hundert Mark werden
zehn. Ausgenommen davon werden nur Kreditverträge sein, um
keinen Bankenzusammenbruch auszulösen. Eingegangene
Kreditverpflichtungen werden also durch die Reform nicht billiger.
Allerdings ist nicht vorgesehen, Kaufverträge in gleicher
Weise zu behandeln. Wenn Sie also heute einen Vertrag mit einer
Zahlungsverpflichtung über einhundert Mark eingehen,
müssen Ihre Vertragspartner diesen nach der Reform zu dem
Nennwert erfüllen, der ausgehandelt worden
ist.«
    Es dauerte eine Weile,
bis Ernestine Schafenbrinck die volle Tragweite dieser Aussage
erfasst hatte. »Das heißt, dass ich für
Verkäufe, die ich heute abzeichne, in drei Monaten das
Zehnfache des Kaufpreises erhalten werde?«
    »Im Vergleich
zur Kaufkraft der reformierten Währung, ja.«
    »Und das mit
dieser Reform ist sicher?«
    »So sicher, wie
ich hier vor Ihnen sitze, gnädige Frau.«
    Die Witwe dachte
angestrengt nach. »Besteht aber denn überhaupt Aussicht,
einen Käufer zu finden?«
    Trasse lächelte.
»Aber ich bitte Sie. Wir sprachen doch eben über die
Flucht in die Sachwerte. Alle befürchten, dass sich die

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