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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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diesem
Geschenk?
    »Heute
Nachmittag kommen mein Bruder und einige Nachbarn zu einer Tasse
Kaffee vorbei. Ich würde mich freuen, wenn du auch dabei sein
würdest.« Sie sah ihn erwartungsvoll an.
    Goldstein nickte.
»Natürlich. Um wie viel Uhr?«
    »Gegen
drei.« Sie stand auf, um das Geschirr
fortzuräumen.
    Goldstein erhob sich
ebenfalls und bot ihr seine Hilfe an. Einen Moment lang dachte er,
sie würde ihn abweisen.  
    Dann aber erwiderte
sie lächelnd: »Füll den großen Topf mit
Wasser und stell ihn auf den Herd. Zum Spülen muss das Wasser
heiß sein.«
    *
    Ewald Wiedemann kam
als erster Gast. Er schenkte seiner Schwester eine große
Seidenstola, die sie sich beglückt umhängte. Goldstein
verspürte einen Stich, als er daran dachte, wie sie auf sein
Geschenk reagiert hatte.
    »Der Kuchen muss
noch etwas abkühlen«, sagte Martha, nachdem sie ihrem
Bruder noch einmal um den Hals gefallen war. »Ihr könnt
in der Stube warten. Die anderen müssen ja auch gleich
kommen.«
    »Wenn es dir
recht ist, vertreten wir uns noch die Beine«, antwortete
Wiedemann, ohne Goldsteins Meinung einzuholen. Er wandte sich an
Goldstein. »Kommen Sie?«
    Die ersten Meter
legten sie schweigend zurück. Als sie das Eingangstor der
Zeche Teutoburgia passierten, blickte Goldstein instinktiv
zurück.
    Wiedemann lachte laut
auf: »Keine Angst. Sie haben von Saborski und seinen
Männern nichts mehr zu befürchten.«
    Im nächsten
Moment wurde er ernst. »Dafür sollten Sie sich den
Franzosen gegenüber etwas vorsichtiger
verhalten.«
    »Wie meinen Sie
das?«
    »Heute Morgen
wurde eine Fahndungsmeldung der französischen
Militärpolizei herausgegeben, die auch an die deutschen
Dienststellen gegangen ist. Sie suchen einen sogenannten
Krawallmacher, der gestern bei den Unruhen im Theater beteiligt
gewesen sein, diese sogar angezettelt haben soll. Die Beschreibung
passt ziemlich genau auf Sie.«
    Goldstein
überlegte. »Was würden Sie mir
raten?«
    »Schreiben Sie
Ihren Bericht und verlassen Sie Herne, ehe es zu spät
ist.«
    »Aber was soll
ich denn schreiben? Ich kenne die Täter doch immer noch
nicht.«
    Wiedemann blieb
stehen. »Menschenskind, nehmen Sie Vernunft an«, sagte
er eindringlich. »Die angeklagten Franzosen sind auch die
Schuldigen, das liegt doch auf der Hand. Der Freispruch des
Kriegsgerichts war eine Farce. Sie selbst haben die Beweise
dafür doch erbracht.«
    »Indizien, keine
Beweise«, widersprach Goldstein.
    Wiedemann packte mit
beiden Händen Goldsteins Schultern. »Hauen Sie ab,
Mensch! So schnell wie möglich. Was glauben Sie denn, was
Berlin von Ihnen hören will?« 
    Als Goldstein schwieg,
gab der Herner selbst die Antwort: »Berlin ist definitiv
nicht daran interessiert, dass Sie die Unschuld unserer Feinde
feststellen. Das muss Ihnen Ihr gesunder Menschenverstand doch
sagen.«
    »Aber die
Wahrheit«, warf Goldstein ein.
    »Ach, hören
Sie auf mit der Wahrheit.« Wiedemann ließ ihn wieder
los. »Hier geht es um Größeres,
Wichtigeres.«
    »Was kann es
Wichtigeres geben als die Wahrheit?«
    Wiedemann musterte
Goldstein besorgt. »Ihr Leben, beispielsweise. Oder auch
Deutschland.«
    »Meinen Sie
tatsächlich, dass meine Ermittlungen die Geschicke
Deutschlands beeinflussen könnten?«, fragte Goldstein
spöttisch.
    »Warum denn
nicht? Das richtige Wort zur richtigen Zeit kann Massen
mobilisieren, mitreißen. Ein mutiger, gut formulierter
Zeitungsartikel, der auf Ihren Ergebnissen basiert -und das Volk
steht auf gegen die Besatzer. Unterschätzen Sie nicht die
Wirkung der Propaganda, mein Lieber. Sie kann Geschichte
schreiben.«
    Es begann zu nieseln.
»Lassen wir es dabei bewenden«, schlug Goldstein vor.
»Wir sollten zurückgehen und Martha nicht länger
warten lassen.«
    »Werden Sie
meinem Rat folgen?«
    Goldstein sah
Wiedemann direkt in die Augen. »Nein«, sagte er mit
fester Stimme.
    Wiedemann drehte sich
abrupt und lief los. »Sie müssen es ja wissen. Aber
bitten Sie mich zukünftig nicht mehr um Hilfe.« Der
Ärger in seiner Stimme war nicht zu
überhören.
    Goldstein atmete durch
und sah dem Herner nach. Nein, Wiedemann konnte ihn nicht
überzeugen. Seine Entscheidung stand fest und war
richtig.   
    Als der Polizist wenig
später Marthas Haus betrat, war Wiedemann nicht dort. Ein
junges Mädchen half in der Küche, den Kuchen zu
portionieren. Martha stellte sie Goldstein als Lisbeth Treppmann
vor, die Schwester der Ermordeten. Lisbeth war schlank, hatte
lange, dunkelbraune Haare und trug einen

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