Franzosenliebchen
sowie die
Erstausstattung mit Waren vorzufinanzieren. Die Witwe hatte
daraufhin Regierungsrat Trasse gebeten, ihr kurzfristig einen
Besuch abzustatten. Und nun saß ihr der Finanzbeamte, auf den
ihr verstorbener Mann so große Stücke gehalten hatte,
gegenüber. Mit versteinerter Miene wartete er, dass das
Hausmädchen, das den Tee servierte, den Salon
verließ.
»Gnädige
Frau, es fehlen mir die Worte, um meiner Bestürzung angemessen
Ausdruck zu verleihen. Seien Sie versichert, dass ich Ihnen, wann
immer Sie es wünschen, jedwede Unterstützung zukommen
lassen werde. Ihr Ehegatte ist, wenn ich das so sagen darf, als
Patriot für Deutschland in französischer Kerkerhaft
gestorben. Das Reich wird seiner immer gedenken. Und
selbstverständlich werde auch ich den Verstorbenen in meine
Gebete einbeziehen. Wir haben ihm viel zu verdanken. Er war
wirklich ein großer Deutscher.«
Ernestine
Schafenbrinck stammte aus einer alteingesessenen bürgerlichen
Familie. Konventionen und Etikette waren ihr in Fleisch und Blut
übergegangen. Obwohl sie daher wusste, was von solchen
salbungsvollen Floskeln zu halten war, taten ihr die Worte des
Gastes gut.
»Ich danke Ihnen
für Ihre Anteilnahme, Herr Regierungsrat. Leider muss ich Sie
bereits jetzt in einer Angelegenheit um Unterstützung
bitten.«
Trasse erhob sich
etwas aus dem schweren Polster und deutete eine Verbeugung an.
»Verfügen Sie über mich, gnädige
Frau.«
»Ich
benötige Ihren Ratschlag. Mein Mann hat mir berichtet, dass
Sie nicht nur über exzellente Kontakte verfügen, sondern
dass Ihnen als Finanzbeamter in Geldangelegenheiten niemand an
Wissen das Wasser reichen kann.«
Trasse senkte
bestätigend den Kopf. »In aller Bescheidenheit darf ich
sagen, dass ich mich in der Tat nicht nur bei der
Steuergesetzgebung und deren Eintreibung, sondern in allen
Sachverhalten des Finanzwesens zu Hause
fühle.«
»Sie wissen,
dass wir nach Recklinghausen zu expandieren gedenken. Dazu sind
allerdings nicht unerhebliche Finanzmittel erforderlich, über
die wir momentan nicht verfügen. Wie mir mein Buchhalter
erklärt hat, liegt das nicht daran, dass das Unternehmen
finanziell nicht gesund wäre, im Gegenteil. Aber aufgrund der
Geldentwertung ist keiner unserer Lieferanten bereit, Waren auf
Kredit zu liefern. Wir müssen sie also vorfinanzieren. Und das
hat unser Barkapital fast aufgezehrt. Zwar gibt es noch einige
Außenstände, aber die, so meint mein Buchhalter,
dürften nicht ausreichen, um die kommenden Kosten zu decken.«
Ernestine Schafenbrinck hatte bis vor zwei Tagen nicht gewusst, wie
schlimm es wirklich um die Firma stand. Sie lebte quasi von der
Hand in den Mund. Das Kaufhaus warf zurzeit nicht genug ab, um den
Haushalt und das Personal zu finanzieren.
»Verstehe.«
»Ich habe
bereits mit unserer Hausbank gesprochen. Sie wäre unter
Umständen bereit, das neue Haus in Recklinghausen zu
finanzieren, fordert aber einen flexiblen, täglich neu zu
berechnenden Zinssatz, der sich an der Geldentwertung orientiert,
dazu einen garantierten Mindestzins von fast zehn Prozent sowie als
Sicherheit einen Anteil am Unternehmen, grundbuchlich abgesichert.
Was meinen Sie, ist das ein seriöses
Angebot?«
Regierungsrat Trasse
lachte auf. »Seriös? Ich nenne das
Geldschneiderei.«
Ernestine
Schafenbrinck war nun doch etwas überrascht. »Aber wir
haben seit Jahren sehr enge Geschäftsbeziehungen zu diesem
Geldinstitut. Mein Mann hat nie davon gesprochen, dass diese Bank
je versucht hat, uns zu übervorteilen.«
»Ihr Mann war
ein, entschuldigen Sie den Ausdruck, mit allen Wassern gewaschener
Geschäftsmann. Vielleicht glaubt man nun, mit Ihnen ein
leichtes Spiel zu haben.«
Die Witwe wirkte
nachdenklich.
»Sehen Sie, es
ist doch so: Eine Bank verleiht Geld nicht aus
Menschenfreundlichkeit, sondern um daran zu verdienen. Banken leben
von den Schulden anderer Leute. Doch ein Bankkredit ist nicht immer
geeignet, finanzielle Engpässe zu beheben. Sie müssen den
Schuldendienst auch bedienen können.« Trasse
zögerte, als er ihren verständnislosen Blick sah.
»Entschuldigen Sie das Fachkauderwelsch. Ich meine, Sie
müssen die Kreditzinsen bezahlen können. Und wenn Sie das nicht
können oder die Zinsen extrem hoch sind, ist ein Kredit nicht
unbedingt das Richtige.«
»Aber was soll
ich denn sonst machen?«
Trasse senkte seine
Stimme. »Ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber
haben Sie schon einmal daran gedacht …« Er
räusperte sich. »Haben Sie schon
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