Franzosenliebchen
Lage
weiter verschlimmert. Einen solventen Interessenten für Ihre
Firma zu begeistern, dürfte kein Problem
darstellen.«
»Würden Sie
mir dabei behilflich sein? Sie haben doch sicher auch da die
entsprechenden Kontakte.«
»Nun ja. Das nun
eigentlich eher nicht. Solche Transaktionen sind nun nicht mein
täglich Brot.«
»Herr
Regierungsrat, bitte lassen Sie mich nicht im Stich«, flehte Ernestine
Schafenbrinck. »Sie sind der Einzige, der mir helfen
kann.«
Trasse lehnte sich
zurück und nippte befriedigt an seinem Tee. »Also gut.
Ich werde tun, was ich kann. Möglicherweise kenne ich einen
Interessenten. Aber lassen Sie uns zuerst die Details des
möglichen Geschäfts besprechen.«
41
Dienstag, 6. März
1923
Am Montag war es
Goldstein endlich gelungen, jemanden zu finden, der sich in der
Tatnacht in der Nähe der Ruine aufgehalten hatte.
Der Polizist hatte
seine Schrauben schon an Dutzenden Haustüren feilgeboten -
fast immer war ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen worden.
Er war schon auf dem Weg zurück zu Marthas Haus gewesen, als
ein älterer Mann an seine Seite getreten war.
»Sie sind der
Mann, der sich für den Tod der kleinen Treppmann
interessiert?«
Als Goldstein nicht
sofort antwortete, ergriff ihn der Mann beim Arm und zog ihn mit
sich zu einem Gartenschuppen. »Hier können wir
ungestört sprechen.«
»Wie kommen Sie
darauf, dass ich mich mit dem Mord
beschäftigte?«
»Wären Sie
mir sonst hierhin gefolgt?« Der Altere lächelte fein.
»Außerdem, hier in der Siedlung bleibt nichts lange
geheim. Es wird erzählt, dass jemand, der Schrauben verkaufen
will, viele Fragen stellt. Wie ein Polizist. Egal. Sind Sie dieser
Jemand?«
»Das wäre
möglich.«
»Also hören
Sie zu: Meine Frau möchte nicht, dass ich im Haus rauche. Der
Qualm meiner Pfeife ist nicht gut für ihr Asthma, sagt sie.
Also gehe ich zum Paffen immer vor die Tür und vertrete mir
etwas die Beine. Das habe ich auch an dem Abend gemacht, als das
Mädchen umgebracht wurde. Als ich in die Nähe der Ruine
gekommen bin, habe ich einen Mann gesehen, der es ziemlich eilig
hatte. Er kam von dem Grundstück, sah sich auf der
Straße um und lief, als er mich von Weitem entdeckte, schnell
Richtung Bahnhof.«
»Trug der Mann
Uniform?«
»Ich glaube
nicht. Aber genau konnte ich das nicht erkennen. Es war schon zu
dunkel.«
»Um welche
Uhrzeit war das?«
»Es muss kurz
vor elf Uhr gewesen sein.«
»Und der Mann
war allein?«
»Ich habe nur
eine Person ausmachen können.«
»Ist Ihnen sonst
noch etwas aufgefallen?«
»Nein.«
»Haben Sie bei
der Polizei eine Aussage gemacht?«
Der ältere Mann
spuckte verächtlich auf den Boden. »Deutsche Polizisten,
die mit den Besatzern paktieren! Mit denen will ich nichts zu tun
haben.«
»Sie sind etwas
vorschnell mit Ihrem Urteil. Nicht jeder Polizist, der in diesen
Zeiten seinen Dienst tut, unterstützt die
Franzosen.«
»Mag sein. Ich
habe jedenfalls nicht mit Polizisten gesprochen. Außer mit
Ihnen. Aber keine Sorge, ich kann schweigen wie ein Grab.«
Mit diesen Worten hatte sich der Mann umgedreht und einen
konsternierten Goldstein zurückgelassen.
Der Dienstag
präsentierte sich mild und freundlich. Frühling hing in
der Luft. Die schon kräftige Sonne schien
durch
eine zerstörte
Fensteröffnung und tauchte den Raum in helles Licht. Es war
eben dieser Raum, in dem sich auch Agnes und ihr französischer
Soldatenfreund heimlich getroffen hatten. Seit kurz nach zwölf
hockte Goldstein in der Ruine und wartete auf Lisbeth Treppmann.
Zeit genug, um nachzudenken. Das gestrige Gespräch hatte ihm
klar vor Augen geführt, dass er seine Legende als
Schraubenverkäufer nicht mehr lange würde
aufrechterhalten können. Dass er Polizist war, machte die
Runde. Weitergeholfen hatten ihm die Hinweise des Mannes auch
nicht. Eine Person hatte sich eilig vom Tatort entfernt. Keine
wirklich weiterführende Information. Allerdings hatte sein
Gesprächspartner Soltau und Schneider nicht bemerkt, die sich
ja um diese Zeit ebenfalls in der Gegend aufgehalten haben mussten
- sofern die Aussagen, die sie gemacht hatten, stimmten.
Goldstein hatte sich
aus herumliegenden Steinen eine Sitzgelegenheit gebaut und hielt
nun sein Gesicht in die warmen Strahlen.
Dummerweise hatte sich
am Sonntag keine Gelegenheit mehr ergeben, eine feste Uhrzeit
auszumachen, und so musste der Polizist fast vier Stunden
ausharren, bis die Schwester der Toten erschien.
Atemlos berichtete
sie, dass sie zunächst im
Weitere Kostenlose Bücher