Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Sie selbst. Er kam mit der festen Absicht, sie zu ermorden. Gegen diese Entschlossenheit gibt es kein bombensicheres Mittel. Sie konnten ja nicht mal ahnen, dass aus dem harmlosen Gespenst ein Mörder ausschlüpft.«
Katinka schwieg. Sie fühlte sich dennoch schuldig. Schuldig und erschöpft. Sie hätte sich gern hier auf dem Beifahrersitz zusammengerollt und wäre eingeschlafen.
»Die Spukereien im Reiterkostüm sollten Ida Schenck einschüchtern, nehme ich an. Hat sie Ihnen gegenüber irgendetwas erwähnt, was dazu passt?«, fragte Uttenreuther.
Katinka wischte sich über die Stirn. »Vielleicht. Mir fällt gerade nichts ein.«
Allerdings war da noch etwas, und sie musste es ihm sagen. Jetzt.
»Ich habe bei Ida meine Visitenkarte aufs Küchenbüfett gelegt, damit sie meine Handynummer parat hat«, begann sie. »Ich habe sie da deponiert, bevor ich draußen auf den Spuk wartete, noch am Nachmittag. Die war weg. Der Mörder muss sie an sich genommen haben.«
Uttenreuther schnalzte mit der Zunge.
»Sie lernen dazu, Palfy. Früher wäre diese Aussage erst nach Aktenschluss über Ihre Lippen gekommen.«
Katinka öffnete die Wagentür. Ein Maunzen ertönte von der Rückbank. Katinka und Hardo drehten sich gleichzeitig um. Vishnu hockte auf dem Rücksitz, genau in der Mitte, und starrte die beiden aus grün funkelnden Augen vorwurfsvoll an.
»Ach, der Kater!«, sagte Katinka. Sie stellte den rechten Fuß auf die Straße. »Vielleicht wohnt der gern in Ihrem Auto!«
Hardo schüttelte den Kopf. »Ist nicht, Palfy. Nicht bei mir. Nehmen Sie ihn mit, Sie haben sich doch schon angefreundet.«
»Ich lebe in einer demokratischen Beziehung«, entgegnete Katinka. »Ich muss erst meinen Freund fragen, ob es ihm recht ist, wenn ein zweiter Mann einzieht.«
Uttenreuther verzog das Gesicht. »Er muss ja nicht gleich einziehen. Morgen wird sich bestimmt ein Verwandter finden, der bereit ist, den Stubentiger zu adop-tieren.«
Katinka stieg aus, winkte Hardo zu und wollte die Tür zuknallen, als Vishnu zum Sprung ansetzte und auf ihrer Schulter landete. Hardo lachte schallend.
»Lassen wir den Hinterbliebenen selbst entscheiden«, sagte er. »Gute Nacht. Ich warte, bis Sie oben sind.«
Katinka hasste ihn. Nur für einen kurzen Moment. Nur, weil er am längeren Hebel saß. Er machte ihre Fälle zunichte, er stieß sie mit voller Wucht auf die Schuldfrage, die sie für heute Abend hatte ausblenden wollen. Er hängte ihr den Kater an.
Kaum drehte sie sich zur Haustür, sprang Vishnu auf die Straße und lief vor ihr her. Er flitzte die Treppen nach oben und blieb vor der richtigen Wohnungstür stehen. Ich frage mich, was diese Tiere sehen, das uns verborgen bleibt , hallte Ida Schencks Stimme in ihren Ohren.
5. Familie Hasseberg
Tom gewöhnte sich sehr schnell an Vishnu. Er hatte an dem Kater einen Narren gefressen, und Vishnu erwiderte diese Zuneigung durch sanftes, anhängliches Verhalten. Tom radelte zum Supermarkt und kaufte Katzenstreu und Futter, und in der Buchhandlung erwarb er ein Buch mit dem vielsagenden Titel So fühlt sich meine Katze wohl .
Mit Katinkas nächtlichem Morderlebnis konnte er sich jedoch gar nicht anfreunden. Immer wieder insistierte er auf der Gefahr, in die Katinka sich gebracht hatte, als sie dem Mörder durch den nächtlichen Garten folgte, und in der sie seiner Meinung nach immer noch schwebte.
»Er hat deine Visitenkarte! Das Wichtigste ist jetzt, dass die Polizei den Typen findet.«
Toms Ängstlichkeit wurde Katinka bald lästig. Er wollte sie nicht mal alleine einkaufen gehen lassen und begleitete sie sogar in die Hasengasse zu ihrer Detektei.
»Zeitlos schickes Schild«, murmelte er und zeigte auf die blauen Buchstaben auf weißem Grund. Katinka Palfy, private Ermittlungen .
»Teuer genug war es«, brummte Katinka. »Du brauchst mich hier nicht zu bewachen. Ich will nur meine Post durchlesen.« Die Einstellung ihres Freundes der angeblichen Gefährlichkeit ihres Jobs gegenüber nervte sie ohnehin seit dem Moment, da sie ihr kleines Unternehmen gestartet hatte. Immer wieder lag er ihr in den Ohren mit gefährlich, riskant, waghalsig. Er war nie verlegen, neue, Unheil predigende Attribute für die Tätigkeit als Detektivin zu finden. Dabei war ihr Job üblicherweise gar nicht gefährlich und bestimmt kein bisschen abenteuerlich. Das meiste bestand wie bei jedem Beruf aus Routine, und Leichen lagen selten genug herum. Das Spektakuläre lugte nur in solchen Fällen wie jetzt hervor,
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