Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
sich an Toms heißem Körper weiterwärmte. Er schlief schon tief und fest. Aber in der Nacht schwärmten die Albträume aus. Fratzengesichter, leuchtend hell wie der Mond, kamen geglitten und streckten ihr die Zunge heraus, verhöhnten sie mit silbrigem Singsang und ließen schmatzend die Reißzähne aufeinander krachen. Eine Fratze sah aus wie Hasseberg. Statt Haaren wuchsen Knochen aus seinem Kopf.
Katinka schreckte hoch. Weit riss sie die Lider auf und versuchte, die grauen Schatten im Schlafzimmer, den Kippspiegel in der Ecke, den schwachen Schein der Straßenlaterne draußen über die Beklemmung zu blenden. Wenn sie Ida nur hätte beschützen können. Wenn sie noch lebte. Wenn wenn wenn. Katinka tappte in die Küche und trank ein großes Glas Leitungswasser. Dabei fragte sie sich, ob die Beschäftigung mit Idas Fall womöglich unliebsame Reaktionen in ihr selbst hervorgerufen hatte – und noch hervorrufen würde. Selbst Gespenster zu sehen … Sie legte die Stirn in Falten und blickte hinaus auf die Straße. Eine hauchfeine Mondsichel baumelte am Himmel. Bald würde der Erdtrabant gar nicht mehr zu sehen sein. Dunkel klebte die Nacht über den Dächern. Sie sah Hassebergs konzentrierten Gesichtsausdruck, wie er auf die Schlitterspur in seinem Schwimmbecken starrte. Hasseberg, dachte sie. Könnte Hasseberg seine Tante umgebracht haben? Aber weshalb? Der Anwalt schwamm im Geld, das war unübersehbar, und das Erbe seiner Tante würde er ganz bestimmt nicht benötigen.
Sie musste Grit ausfragen. Wenn der Mord an Ida Schenck mit dem Unfall vor einigen Monaten zu tun hatte, dann war die Großnichte vielleicht die richtige Adresse. Katinka fuhr mit dem Finger über das eiskalte Fensterglas. Da hatte es einen Prozess gegeben, weil Grit jemanden totgefahren hatte. Einen Prozess, über dessen Ausgang Ida nichts notierte.
Grit, dachte Katinka. Grit kommt morgen dran. Und ich sollte die Tagebücher zurückgeben. Im Waffenschränkchen lagen sie zwar ganz gut, aber sie gehörten der Familie. Um zu begründen, warum sie mit Katinkas neuem Auftrag zu tun hatten, würde sie außerdem ein paar clevere Umwege brauchen.
Sie stellte ihr Glas weg und schlich zurück ins Schlafzimmer. Tom schlief wie ausgeknipst.
9. Töchterchen Grit
Katinka stand vor dem Haus Lange Straße 15. Sieh mal einer an, dachte Katinka, das Mädel führt den Nachnamen der Mutter. Sie wollte gerade auf die Klingel mit dem Namensschild Grit Faber drücken, als ihr Handy klingelte.
»Palfy hier?«
»Und hier Uttenreuther. Es läuft eine Anzeige gegen Sie.«
»Bitte?« Katinka hustete.
»Sind Sie krank?«
»Ich habe mich an meiner eigenen Luft verschluckt.«
Katinka war tatsächlich nicht krank geworden, trotz der Kältekur in der vergangenen Nacht. Vermutlich Brittas Grog-Rezept, dachte sie, aber dann wurde ihre Aufmerksamkeit vollkommen von dem in Anspruch genommen, was Hauptkommissar Harduin Uttenreuther eben gesagt hatte.
»Anzeige?«
»Mal ehrlich, Palfy: Wozu treiben Sie sich am Abend auf dem Grundstück eines Rechtsanwaltes herum?«
Katinka überriss blitzschnell ihre Lage. Gäbe sie alles zu, stünden ihre Chancen schlecht. Anwalt Hasseberg konnte nichts gegen sie in der Hand haben, es sei denn, er hatte heimlich Fotos geschossen. Sie war sicher, er hatte nicht. Überwachungskameras hatte sie auch keine gesehen. Kurzentschlossen spielte sie das Unschuldslamm.
»Ich war gestern bei Hasseberg, habe artig an der Tür geklingelt, er ließ mich rein, wir redeten maximal 15 Minuten. Danach marschierte ich ebenso brav wieder weg.«
Uttenreuther sagte nichts. Doch Katinka kannte seine Technik, durch Schweigen seinen Gesprächspartner zum Weiterreden zu veranlassen. Also hielt sie den Mund. Nach einer Weile kam es von Uttenreuther:
»Hasseberg behauptet, s ie seien in sein Grundstück eingedrungen, hätten Zweige von der Hecke geknickt, einen jungen Buchsbaum umgetreten und Spuren in seinem Pool hinterlassen.«
Katinka zuckte die Schultern, straffte sich und sagte:
»Das unterstellt er mir, weil ich für seine Frau arbeite.«
»Ach, tun Sie das?«
»Ja, aber keine Panik, Hardo, das hat alles mit dem Mord nichts zu tun. Ihr Sohn heiratet am Samstag, sie ist nicht eingeladen, und nun will sie soviel wie möglich über ihre Ex-Familie wissen.«
»Sie können von Glück reden, wenn Sie da rauskommen«, sagte Hardo.
»Hasseberg hat keine Beweise«, sagte Katinka und war sich bewusst, dass der Kommissar ihr Grinsen am anderen Ende der
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