Frau an Bord (Das Kleeblatt)
rechnen müssen, dass dieser billige Versuch einer Bestechung nicht funktionieren würde. Sie wollten ihn über die Klinge springen lassen! Und das gleich am ersten Abend! Himmelherrgott, noch dazu vor einer Frau!
Er ließ seinen Blick hilfesuchend über die Köpfe der Männer schweifen, die ihn, völlig überrumpelt von dieser Einladung, anstarrten. In ihren Mienen konnte er nicht lesen, was als Nächstes kommen würde, ob sie ihm um den Hals fallen oder ihn lynchen würden. Das hatte es in der Tat noch nie gegeben, dass bereits vor dem Auslaufen aus dem Heimathafen ein Bordabend organisiert worden war. Doch wog nicht viel schwerer, dass es während der nächsten Tage keine frischen Brötchen zum Frühstück geben würde? Keine Torten und Kuchen zweimal in der Woche? Dass sie vielleicht sogar beim Kartoffelschälen oder Abwasch helfen mussten?
Mit einem Mal klatschten, johlten und pfiffen die Männer enthusiastisch Beifall für ihren Kapitän, der sich beeilte zu betonen, es dürften keine hochprozentigen Getränke ausgeschenkt werden. Aber wen interessierte das schon? Entscheidend war das Bier auf Kosten des Alten.
Während die Seeleute sofort die Reste ihres Abendessens stehen und liegen ließen und sich schleunigst auf den Weg zur Bar machten, um sich die besten Plätze in der ersten Reihe vorm Tresen zu sichern, zeigte sich Susanne völlig unbeeindruckt von der Begeisterung der Männer. Seit einem Jahr hasste sie Menschenansammlungen. Außerdem wollte sie zeitig zu Bett, um morgen mit klarem Kopf ihre A rbeit in Angriff nehmen zu können. Gemächlich und mit Genuss aß sie ihren Teller leer.
„Kein Freund von Tagungen , Wireless ?“, dröhnte die Stimme des Kapitäns durch die Messe.
W ie vom Blitz getroffen zuckte Susanne zusammen und ihr Besteck landete klirrend auf dem Porzellan. Clausing registrierte es genauso wie ihren alarmierten Blick.
„Ich wollte Sie nicht erschrecken . Tut mir wirklich leid.“
Mit denselben entsetzten Augen hatte sie ihn angestarrt, als er ihr in bester Absicht die Blumenvase bringen und sich noch einen Moment mit ihr hatte unterhalten wollen. Himmel hilf, sie beäugte ihn, als wäre er tatsächlich der böse Wolf, der sich völlig ausgehungert über Rotkäppchen hermachen wollte! Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, um sich zu vergewissern, dass ihm in der Zwischenzeit keine Fangzähne gewachsen waren. Noch nie hatte er eine Frau derart in Angst und Schrecken versetzt.
Sus anne winkte peinlich berührt ab. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er noch einmal an seine Back zurückkehren würde, zumal er wie die anderen Offiziere längst das Essen beendet hatte.
„Darf ich Ihnen noch etwas Gesellschaft leisten?“
Mit vollem Mund nickte sie und ihre Ohrenspitzen röteten sich leicht. Gott, steh mir bei, dachte sie und blickte verwirrt auf ihren Teller. Hoffentlich weiß ich noch, wie man mit Messer und Gabel umgeht.
„Es dauert bei mir immer etwas länger mit dem Essen“, entschuldigte sie sich , eine Hand vor den blassen Lippen, und mümmelte an ihrem Salat. Er musste sie für total bescheuert halten.
„Diese Trödelei hat meine Mutter früher unendlich aufgeregt“, plapperte sie hektisch und hätte sich gleichzeitig ohrfeigen können, weil ihr nichts Intelligenteres einfallen wollte. Ihr Lächeln verrutschte etwas und sie spottete: „Das interessiert Sie bestimmt brennend.“
Clausing deutete auf ihren Teller. „Die Käseplatte unseres Kochs ist hervorragend, finden Sie nicht auch? Er hat einen in der Tat erlesenen Geschmack.“
Und er fand diese Feststellung noch törichter als Sus annes Gerede. Wer hatte ihn um seine Meinung zu Käse gefragt? Sein Lächeln wirkte ebenso gekünstelt wie ihres.
„Ich werde mal nachsehen, ob diese wil de Meute noch etwas davon übrig gelassen hat. Zu zweit schmeckt es einfach besser. Mögen Sie ebenfalls einen Kaffee zum Abschluss des Essens?“ In seinen blauen Augen blitzte die Begeisterung. „Meinen Spezial-Kaffee?“
Nur einen Wimpernschlag später kam er aus der Pantry zurück. Wie nicht anders erwartet, hielt er in einer Hand den bis zum Rand mit Käse und Obst beladenen Teller, in der anderen eine Kaffeekanne aus feinem Porzellan. Hochzufrieden ließ er sich Susanne gegenüber nieder.
„ Genau so liebe ich es. Ruhe nach dem Essen, dazu einen starken Kaffee. Unser Koch hatte bereits alles vorbereitet. Muss ein Hellseher sein, der Junge.“ Seine Stimme klang eine Spur weicher und melodischer, als er leise
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