Frau an Bord (Das Kleeblatt)
durch das höhere Lebensalter und die dichteren Bärte.
Sehr zu Sus annes Erleichterung beschränkten sich die Gespräche an der Kapitänsback zunächst auf den zwanglosen Austausch von Erlebnissen mit der Familie während der Hafenliegezeit. Niemand erwartete ernsthaft von der Neuen, dass sie sich an der Unterhaltung beteiligte. Die Offiziere musterten die junge Frau zwar neugierig, doch keineswegs aufdringlich, erkundigten sich nach Dozenten an der Seefahrtsschule und hatten damit gleichzeitig Gesprächsstoff für die nächste Stunde gefunden. Mit wahrer Begeisterung stürzten sich die Männer auf dieses zeitlose Thema, da die Jahre ihrer Hochschulausbildung eine schier unversiegbare Quelle an Histörchen und Anekdoten offenbarten.
Damit blieb Susanne ausreichend Gelegenheit zum Beobachten und Zuhören. Zu gerne hätte sie gewusst, was der Alte seinen Männern erzählt hatte, denn es war zu auffällig, dass mit Rücksicht auf den neuen Funkoffizier an diesem Abend bestimmte Fragen nicht gestellt wurden. Das Frage-Antwort-Spiel um banale Themen, welches eher einem vorsichtigen Herantasten an den anderen als einer wirklichen Unterhaltung mit Tiefgang glich, amüsierte sie. Erst mal testen, mit wem man die kommenden Tage, vielleicht Wochen auf engstem Raum zusammenleben und arbeiten musste.
S usanne hob den Kopf und schaute in das ernste Gesicht des Kapitäns, der ihr direkt gegenüber saß. Er hatte sich bislang kaum am Gespräch der Männer beteiligt, sondern mit gespieltem Eifer in seinem Essen herumgestochert. Dabei hatte er immer wieder unter halb geschlossenen Lidern seine Funkerin betrachtet. Jetzt allerdings errötete er ertappt unter ihrem Blick. Um seinen Mund zuckte es verräterisch. Er ließ sein Besteck sinken und lehnte sich zurück.
Ganz offensichtlich hatte sie ihm die Zurückhaltung der Offiziere zu verdanken. Er nickte knapp , ohne die Miene zu verziehen. Vermutlich hing er eigenen Überlegungen nach. Und Susanne hätte in jenem Moment einiges dafür gegeben, um diese Gedanken hinter seiner plötzlich wieder gefurchten Stirn lesen zu können.
Er machte eine unwirsche Kopfbewegung, als missbillige er seine Tagträumereien , straffte die breiten Schultern, bevor er sich entschlossen erhob und mit dem Löffel an sein Wasserglas klopfte. Die lebhaften Gespräche der Männer an den anderen Tischen verstummten nur langsam, bis sich schließlich einer nach dem anderen zur Kapitänsback umdrehte und auf das Wort des Alten wartete.
„ Wie sich inzwischen herumgesprochen hat, ist mit der Ankunft von Chief und Eisbär die Besatzung der ‚Heinrich’ vollzählig. Das bedeutet, dass wir bedauerlicherweise auch die vor uns liegende Reise ohne Bäcker …“
Das augenblicklich aufkommende , entrüstete Gemurmel und vereinzelte Rufe aus der Ecke der Mannschaft verschluckten die restlichen Worte des Kapitäns. Mit stoischer Geduld, die ihm Susanne nie zugetraut hätte, wartete er, bis sich die Proteste und allgemeine Aufregung nach dieser Hiobsbotschaft wieder gelegt hatten.
„ Kein Bäcker also für diese Fahrt. Als Entschädigung hat uns Dirty Harry den besten Koch der gesamten Reederei geschickt, wovon Sie sich eben selbst überzeugen konnten. Und wenn sich hin und wieder, wenn Not am Mann sein sollte, Freiwillige zur Unterstützung dieses siebten Wirtschaftswunders finden, muss donnerstags niemand auf seinen Kuchen verzichten. Also, Jungs, ein bisschen Toleranz und Initiative und wir werden eine angenehme Reise miteinander haben.“
Zufrieden und erleichtert registrierte der Kapitän das zustimmende Kopfnicken von mehreren Mutigen. Es beruhigte ihn einigermaßen, aus dieser Richtung vorerst keine Meuterei befürchten zu müssen.
„Bevor wir morgen i m Laufe des Tages die Leinen losmachen für unseren Ausflug nach Lerwick, wollen wir diesen verhältnismäßig ruhigen Abend für eine kleine Begrüßung nutzen. Ich gebe ehrlich zu, mein schlechtes Gewissen damit zumindest ein wenig besänftigen zu wollen. Immerhin habe ich es ungeachtet meines Versprechens nach der letzten Reise und aller Bemühungen nicht fertiggebracht, Harry Pohl einen Bäcker aus der Tasche zu ziehen. Also, der langen Rede kurzer Sinn: Ich bitte Sie in einer halben Stunde in die Alligator-Bar zu einem gemeinsamen Abend.“
Sekundenlang herrschte Grabesstille in der Messe.
Und Clausing rutschte das Herz ein Stück tiefer. Und noch tiefer, bis es endlich mit einem Plumps in seiner Hosentasche landete. Verdammt! Er hätte damit
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