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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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sie als Schaf zur Welt gekommen wäre!
    He, und was ist mit dem Alten? hörte sie eine zweite Stimme wispern und drängeln. Was ist mit diesem viel zu jungen Alten, dem charismatischen Kapitän, der in deiner Nähe seine Selbstsicherheit und Überheblichkeit zu verlieren scheint?
    Pah, was sollte schon mit dem sein? Lütt Matt’n wurde lediglich seiner Verantwortung als Kapitän gegenüber der Besatzung gerecht, wenn er ihr Kaffee und Kuchen brachte. Das tat er schließlich für jeden anderen ebenfalls.
    Rede kein Blech! Du hast längst bemerkt, dass er deine Gesellschaft sucht. Du weißt genau, dass er zutiefst enttäuscht ist, wenn du seine beharrliche Einladung ausschlägst und stattdessen deine Arbeit seiner Unterhaltung vorziehst. Und du bist jedes Mal aufs Neue fasziniert vom Strahlen seiner märchenhaft blauen Augen, wenn er dich wegen einer angeblich dringenden, dienstlichen Angelegenheit in deinem Funkschapp aufsucht und du dir Zeit für ein paar nette Worte nimmst.
    Entnervt richtete sie sich im Bett auf und knipste die Lampe über dem Kopfende an. Halb zwölf, seufzte sie hellwach. Das ist doch keine Zeit zum Schlafen! Ganz bestimmt war Adrian noch munter, denn er gehörte zu jenen Menschen, die über ein erstaunliches Stehvermögen verfügten und mit bewundernswert wenig Schlaf auskamen. Sie musste endlich mit ihm reden. Vorher würde sie keine Ruhe finden.
    Sie angelte einen Pullover aus dem Schrank und zog ihre Hose über den hauchdünnen, seidenen Schlafanzug. Dann öffnete sie vorsichtig die Kammertür und spähte über den Gang. Es herrschte relative Stille. Lediglich das gleichmäßig dumpfe Dröhnen der Maschine durchdrang die oberen Decks. Aber es war niemand zu sehen.
    Sie zuckte schnippisch mit der Schulter und schlich auf Zehenspitzen zum Niedergang. Und wenn schon! Wen ging es etwas an, ob sie zu dieser Zeit noch unterwegs war?
    Aus der Kammer des Chief gegenüber vernahm sie leises Klopfen, Gelächter und Murmeln. Wahrscheinlich spielten die wachfreien Offiziere wieder Karten. Vor einigen Tagen hatte sie sogar die Stimme des Alten herausgehört. Na, dem wollte sie unter keinen Umständen begegnen und sich womöglich neugierige Fragen gefallen lassen!
    Auch der Gang auf Höhe des Hauptdecks lag menschenleer vor der Funkerin. Von der „Fritz Stoltz“ hatte sie das ganz anders in Erinnerung. Sie konnte kein Licht durch den Spalt unter der Tür zu Adrians Kammer ausmachen. Sollte er wirklich schon schlafen?
    Sacht drückte sie den Türgriff nach unten und öffnete mit angehaltenem Atem das Schott zur Kochskammer. Möglicherweise war er irgendwo unterwegs. Auf der „Fritz Stoltz“ hatte er um diese Zeit nie in der Koje gelegen – zumindest nicht, um allein zu schlafen. Wenigstens vergewissern sollte sie sich, nachdem sie sich unerkannt bis hierher geschlichen hatte.
    Überrascht stellte sie fest, dass Adrian tatsächlich mit geschlossenen Augen in seinem Bett lag. Die gleichmäßig tiefen Atemzüge bestätigten ihre Vermutung, dass er schlief. Einigermaßen enttäuscht und voll Sehnsucht betrachtete sie ihn eine Weile, dann wandte sie sich zur Tür, hielt inne und drehte sich noch einmal zögerlich um. Längst hatte das Verlangen den Sieg über ihre Zweifel gewonnen. Warum sich dagegen wehren, wenn über kurz oder lang dieser innere Kampf ohnehin zu einem einzigen Krampf mutieren würde? Und letztlich müsste sie sich sowieso geschlagen geben. Gegen ihre Gefühle anzugehen, war ein aussichtsloses Unternehmen.
    Richtig so! Vergeude deine Kräfte nicht unnütz, altes Haus. Du kennst dich lange genug, flüsterte die verräterische Stimme in ihrem Kopf.
    Suse seufzte ergeben und ließ grinsend die Schultern sinken. Flink entledigte sie sich ihres Pullovers und der Hose, legte beides sorgfältig gefaltet auf die Backskiste, dann schlüpfte sie unter die Bettdecke.
    Adrian schlief wie immer mit nacktem Oberkörper, selbst jetzt, nachdem es in der Nordsee herbstlich kalt und ungemütlich geworden war. Sie drehte sich genau wie er auf die linke Seite und rückte dichter an seinen warmen Körper. Beruhigt spürte sie seinen Atem in ihrem Nacken. Mit einem seligen Lächeln schloss sie die Augen. Wie oft hatte sie davon geträumt? Wieder bei Adrian liegen. Wie sehr hatte sie sich in dem einen Jahr der Trennung danach gesehnt!
    Suse stutzte. Ihre nackten Beine streiften an rauem Stoff entlang. Verwirrt tastete ihre rechte Hand über die Hüfte und sein Bein hinab. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht.

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