Frau Bengtsson geht zum Teufel
räumte den Käsehobel und die leeren Joghurtbecher ab und war trotz allem recht gut gelaunt. Das gestrige Gespräch mit Rakel hatte ihr bestätigt, dass religiöser Schmerz völlig normal oder zumindest verständlich war. Vor Gottes Angesicht fühlte man doppelt. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf setzte sie sich, nachdem die Kaffeemaschine fertiggeblubbert hatte, wieder mit der Bibel an den Küchentisch. Zweites Buch Mose. Okay.
Wie selbstverständlich hatte sie einen Aschenbecher und Zigaretten bereitgestellt, ohne zu überlegen, welcher Tag heute war.
Dann mal los, dachte die Hausfrau und war bereit für gespaltene und doppelte Gefühle. Und war sehr überrascht, als bei der Lektüre nichts dergleichen auftrat. Der Notizblock lag aufgeschlagen vor ihr, sie schrieb »Zweites Buch Mose« auf ein frisches Blatt und begann zu lesen, fast – aber nur fast – so hoffnungsvoll wie bei den ersten Malen.
Die Israeliten wurden in Ägypten unterdrückt. Das war ohne Zweifel traurig. Keine gespaltenen Gefühle. Mose, der kleine Knirps, kam zur Welt, und die einzige Anmerkung, die sie dazu im Hinterkopf hatte, war: Wer sagt eigentlich, dass das hier große Literatur ist? Im Grunde ist es ziemlich schlecht geschrieben.
Der brennende Busch, der Mose seinen göttlichen Auftrag gab, war ja ein ganz nettes Bild, aber wenn sie bedachte, wie sehr Rakel darauf pochte, dass das Wort exakt mit der Wirklichkeit übereinstimmte, gab es auch hier keinen Grund, dem Autor für diesen Einfall zu gratulieren. Dann war es einfach so gewesen und das hier nicht das Phantasieprodukt eines engagierten Geschichtsschreibers.
Gott befahl Mose, die Schuhe auszuziehen, weil er auf heiligem Boden stand. In Moscheen musste man dies auch tun, warum nicht in schwedischen Kirchen? Frau Bengtsson kam zu dem Schluss, dass dies wohl mit dem Klima in den entsprechenden Kulturkreisen zusammenhing, womit sie vielleicht recht hatte.
Armer Mose, dachte sie. Wenn du wüsstest, was dich erwartet.
Und wieder ärgerte sie sich. Warum legte Gott die gesamte Verantwortung auf die Schulter eines einzigen, kleinen Menschen? Sie seufzte und trank ihren Kaffee, während Mose sich zum Pharao begab, um die Freilassung seines Volkes zu erreichen.
Der Pharao weigerte sich.
So eine Überraschung.
Das Ganze wiederholte sich mehrmals. Mose quengelte, der Pharao weigerte sich, und Mose quengelte wieder … Sie blätterte zerstreut weiter. Sie hatte
Der Prinz von Ägypten
gesehen. Disney hatte es eigentlich besser erzählt.
Erst als Gott die Plagen über Ägypten schickte, regten sich ihre Gefühle. Aber nein, sie waren noch immer nicht gespalten, sondern gingen deutlich in eine Richtung: Wut und Verachtung.
Alles Wasser in Ägypten wurde zu Blut. Es regnete Frösche. Mücken fielen in das Land ein, gefolgt von Ungeziefer. Das Vieh bekam die Pest, die Menschen bekamen Blattern, Hagel stürzte vom Himmel, und Heuschrecken schwärmten, dass der Himmel schwarz wurde. Dann wurde der Himmel selbst schwarz, weil Gott Finsternis über das Land senkte.
»Und wie ging es Herrn und Frau Durchschnittsägypter in dieser Zeit? Wussten sie, warum sie leiden mussten, oder glaubten sie einfach nur, das Ende der Welt sei nahe? Vielleicht hofften sie sogar darauf, nach all den Plagen?« Die Frage galt dem Buch, sie richtete sie an die Seiten, die vor ihr lagen.
Das Buch antwortete natürlich nicht, sondern fuhr ungerührt fort mit seinen mittelmäßig verfassten Berichten über die Plagen, die Gott den Ägyptern schickte. Eine Plage für jede Weigerung des Pharaos, die Israeliten ziehen zu lassen.
Frau Bengtsson wurde sauer.
Bestrafe den Pharao und bestrafe die Verantwortlichen, aber lass verdammt noch mal Herrn und Frau Durchschnittsägypter in Ruhe! Was hatten sie getan, außer nicht dem Volk anzugehören, das Gott – völlig willkürlich, wie Frau Bengtsson fand – für sich auserwählt hatte? War Gott Rassist?
Die Antwort auf diese Frage war natürlich ja, wie sie an der zehnten Plage erkannte, bei der Gott alle Erstgeborenen abschlachtete. »Auf dass ihr erfahret, wie der Herr Ägypten und Israel scheidet«, sagte Mose in 11 , 7 .
Na bitte, dort stand die Antwort schwarz auf weiß.
Frau Bengtsson, die wie alle wohlerzogenen Durchschnittsschweden des zwanzigsten Jahrhunderts ethnische Diskriminierung jeder Art verabscheute, schauderte. Ein übler Geschmack belegte ihre Zunge. Sie versuchte, ihn mit Kaffee wegzuspülen. Vergeblich. Rassistengott!
In diesem Moment beschloss
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