Frau Bengtsson geht zum Teufel
dass er sich verspätet habe. Im Gegenteil, er hätte gesagt, dass noch viel Zeit sei.
Aber Tiere reden nur in Fabeln und Märchen. Der Hase saß geduldig da und zeigte mit seiner unverständlichen Körpersprache, dass sie ihm folgen sollte, dass er eine Einladung und ein Versprechen war. Frau Bengtsson hob noch einen Stein auf und schleuderte ihn, und diesmal traf sie den Hasen an der Lende. Dass er sitzen blieb, sagte ihr nichts.
»Wir treffen uns hier, habe ich gesagt, auf halbem Weg. Ich bin hier, und wo zum Teufel bist du? Bei jemandem, den du lieber magst, nehme ich an. Du denkst wahrscheinlich, dass du genug für mich getan hast. ›Ich bin der Herr, dein Gott. Bla, bla, bla. Bitte schön, hier sind jede Menge Regeln, befolge sie, und du bist Christ, und wenn nicht, wird es dir schlecht ergehen.‹ Weißt du was, ich will mit deinen Regeln nichts zu tun haben, wenn du mir nicht einmal beim Nachdenken darüber hilfst. Kein Zeichen, kein Flüstern in meinem Ohr. Nichts. Nada! Der Teufel soll dich holen.« Frau Bengtsson warf die Kippe in den Matsch.
»Okay, wenn du so verdammt beschäftigt bist, dass du nicht helfen willst, obwohl man dich freundlich bittet, dann hast du vielleicht wenigstens genug Stolz, um eines deiner angeblich geliebten Geschöpfe aufzuhalten, wenn es sich total irrt? Halte mich jetzt auf! Halte mich auf, oder ich will ab sofort nichts mehr mit dir und deinen Regeln zu tun haben. Weder jetzt noch morgen noch nach meinem Tod. Alle deine ›Du sollst nicht‹. Du sollst nicht dies, du sollst nicht das. Warum denn nicht? Wer soll mich davon abhalten? Du? Wohl kaum. Bis jetzt hast du mich noch nie gebremst, wenn ich geprasst habe, in Wut geraten bin oder neidisch auf jemanden war. Du hast mich nicht im Geringsten ermuntert, als ich mich in dich verliebt habe und dich in allen Dingen ringsum gesehen habe. Das hätte es leichter gemacht. Aber jetzt ziehe ich mein Angebot zurück, du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Die Mitte hat geschlossen, nur dass du es weißt!«
Sie schaute immer noch in den Himmel, aber die Angst war gewichen. Sie hatte genug geschimpft und gelästert, um herauszufinden, dass es ungefährlich war – und vor allem sinnlos.
»Stinkstiefel«, fügte sie hinzu, wie um ihn ein letztes Mal zu testen.
Frau Bengtsson hatte keine Angst mehr vor Gott.
Überzeugt, dass er existierte und genau derjenige war, für den er sich ausgab, zerschlug sie die Beziehung, die sie in Gedanken aufgebaut hatte und die ihre Zukunftsvision gewesen war. Die Zweisamkeit mit Gott.
»Ich will nicht bei dir sein! Ich will nicht für dich sein. Ich will nicht bei dir enden, will dich nicht sehen, nicht dauernd an dich denken und immerzu tun, was du willst.« Sie atmete tief ein und schrie: »Ich hasse dich!«
Ein Regentropfen landete auf einem ihrer Stiefel. Dann noch einer, und ein weiterer nahm auf ihrer Stirn Platz. Frau Bengtsson stand auf und ging nach Hause. Obwohl sie mit allen Sinnen nach einem Zeichen Ausschau gehalten und sich nach einer Antwort gesehnt hatte, ging die Bedeutung des Regens völlig an ihr vorbei. Der Hase spitzte die Ohren, schüttelte sich und legte sich enttäuscht in seine Sasse. Er würde mit Sicherheit einen blauen Fleck davontragen, wo der Stein ihn getroffen hatte.
Auf dem Rückweg, mit schlammigen Stiefeln, zerzaustem Haar und erdigem Hintern, rauschte die Gelbe Gefahr an Frau Bengtsson vorbei. Natürlich legte Beggo sofort eine Vollbremsung hin, als er die Witwe sah. Besorgt lehnte er sich aus dem Fenster und fragte, ob etwas geschehen sei und ob sie Hilfe brauche.
»Ja, das kann man wohl sagen«, sagte sie verbittert. »Aber das ist eine Sache zwischen mir und Gott. Glaubst du an Gott, Beggo?«
Er dachte nicht eine Sekunde nach, sondern lachte. »Gott? Nein. ›Glaube, der kann so vieles bewegen. Hoffnung brauchst du, um den Weg zu sehen …‹«
Aha, heute ist Mara Kayser dran, bemerkte sie im Vorübergehen. »Aber weißt du, Glaube und Hoffnung ist genau das, was mir fehlt.«
Er fragte, ob er sie nach Hause fahren könne, und sie drehte ihm den Hintern zu. Als er den Lehm sah, bereute er sein Angebot sofort, aber er zog es nicht zurück.
»Es ist nicht so weit, Beggo. Ich gehe zu Fuß, dann musst du deinen Sitz nicht schrubben. Aber vielen Dank, das ist nett von dir.«
»Auf Jungs über fünfunddreißig ist immer Verlass«, antwortete er, deutlich erleichtert, und fuhr im Nieselregen davon.
Auf dem Rückweg waren die Gärten leer.
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