Frau Bengtsson geht zum Teufel
Bosheit, werde meine Güte‹, soll er gesagt haben. Für ihn gab es nur einen Ausweg – das zu tun, was in Gottes Augen böse war.«
»Schon wieder Zweckdenken. Sieht aus, als könnte ich dem nirgendwo entkommen.«
»Gewiss. Aber viele haben den Teufel missverstanden und glauben, dass er nur um des Bösen willen böse handelt. In Wirklichkeit wünscht er sich etwas, das zumindest subjektiv als gut empfunden wird: Freiheit.« Satan hielt kurz inne und dachte nach. »Und als guter Christ kann ich ihn dafür nicht mal verurteilen. Ich kann seine himmlische Herkunft nicht leugnen und glaube fest daran, dass er eines Tages wieder auf den rechten Weg finden wird.«
»Ui! Man liebt also sogar Satan, wenn man richtig, richtig christlich ist?«
»Ja, natürlich. Gottes Geschöpfe sind und bleiben Gottes Geschöpfe, und alles hat seinen Sinn.«
»Gott hat also Satan erschaffen und sogar das Böse? Das finde ich ziemlich … hinterhältig. Das ist, als würde man alles auf seinen bösen Zwillingsbruder schieben.« Frau Bengtsson lachte höhnisch. »Dann wäre Gott ja ebenfalls böse, wenn auch nur durch einen Mittler? Ja, ja, gleich wirst du sagen, dass ich das höhere Ziel nicht sehe. Ich gebe auf.« Sie seufzte.
»Immerhin ist es ein kleiner Trost, dass dieser Liebeszwang auf Gegenseitigkeit beruht. Ich glaube, dass Gott alle liebt. Inklusive Satan.«
»Ja, vielleicht fällt ihm das genauso schwer wie uns. Wie schön die Liebe plötzlich wieder ist«, sagte sie ironisch. »Es ist immer dasselbe: Die Liebe verliert ihren Zauber und wird zur Fessel. Du ahnst gar nicht, wie viele schöne Dinge ihren Reiz durch dieses … Abenteuer verloren haben. Heute Morgen wollte ich in der Bibel weiterlesen, aber ich konnte einfach nicht. Ich konnte nicht, weil ich mich nicht mehr auf den ganzen Mist einlassen wollte, der dort steht. Und damit meine ich nicht den Schwierigkeitsgrad, sondern die vielen Enttäuschungen und den ganzen Kummer. Das hat meine Suche nach dem Guten und der inneren Ruhe ausgebremst. Meine spirituelle Suche. Dann fällt mir auch die Schwulenfeindlichkeit wieder ein, die Unterdrückung der Frau, die ständige Missachtung der Menschenrechte und Gottes infantiles Benehmen. Ich weiß es noch vom Konfirmandenunterricht, und außerdem sehe ich es ja im Fernsehen. Ich schlage diese Seiten auf und weiß, dass bald wieder ein Beispiel kommen wird. Und dann bin ich ganz entnervt, weil ich schon im Voraus überlege, wie ich das mit meiner Vorstellung vom guten, liebenden Gott unter einen Hut bringen soll. Denn genau das will ich eigentlich.« Sie schluckte und seufzte deutlich vernehmbar.
»Ich will, dass Gott uns liebt.« Frau Bengtsson verbarg ihr Gesicht hinter der Kaffeetasse, und eine Träne kullerte über ihre linke Wange. Das musste genügen. »Aber das ist nicht der Fall.« Sie fasste wieder Mut und zuckte mit den Schultern, als würde sie sich aus einem unbequemen Mantel pellen. »Jedenfalls nicht in dem Buch, das vor mir liegt. Tatsächlich muss ich sehr oft umblättern, bis ich irgendetwas finde, das ich gutheiße. Und doch muss ich alles durchpauken und hinnehmen, wenn ich ein echter Christ sein will, wie du sagst. Ich weiß nicht, ob ich dazu die Kraft habe. Und selbst wenn, dann will ich sie nicht darauf verschwenden, mich zu versöhnen … mit diesem …« Frau Bengtsson hielt inne und sah dem Teufel direkt in die Augen.
»Mit diesem Gott?«, fragte er.
»Ja. Aber es ist noch schlimmer, als du denkst. Es geht mir ja nicht allein um den Saldo auf meinem Kräftekonto, den ich für alle diese Fragen aufwende, um Gott am Ende vielleicht zu finden. Nein, ich frage mich, ob ich Gott nicht schon gefunden habe. Vielleicht habe ich den Allmächtigen längst durchschaut, und nun weiß ich nicht, ob ich meine Liebe an jemanden wie ihn verschwenden soll. Egal ob er am Ende alle Verheißungen erfüllt, auf dem Weg dorthin ist der Herr ein anderer.« Sie war todernst.
»Du fragst dich also, ob Gott deiner Liebe wert ist?«
»Ja, das frage ich mich. Und ich frage mich, ob er das hier wert ist.« Sie breitete die Arme aus und begann zu weinen. »Hat er wirklich meine Tränen verdient?«
»Das entscheidest nur du«, antworteten Rakel und Satan gemeinsam. »Du weinst auf jeden Fall gerade um ihn.«
Aber genau darin lag das Problem. Frau Bengtsson weinte nicht um Gott. Dann wäre die Entscheidung viel leichter gewesen. Nein, sie weinte wegen Gott. Das war eine andere Sache.
An diesem Nachmittag trösteten beide
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