Frau Bengtsson geht zum Teufel
konzentrierte sich darauf, heilende Säfte über die vielen Wunden strömen zu lassen, und träumte, wie so oft, von besseren Standorten. Von der anderen Seite des Hauses zum Beispiel, einem mystischen Ort der Sehnsucht. Der Südseite. Der Baum zog sich in seine Träume zurück.
»Aber Rakel, um noch einmal auf unser Gespräch zurückzukommen«, sagte Frau Bengtsson. »Das ist doch in Ordnung, was ich mir ausgedacht habe?«
»Wie war das noch mal?«
»Du sollst nicht töten. Es muss schon ein gewisses Kaliber haben, meine ich, man tötet nicht einfach irgendwas. Yersinia, zum Beispiel, hätte die ideale Größe.«
Yersinia schaute erschrocken von ihrem Spiel auf. An ihren Schnurrhaaren hingen Daunen. »Mich?«, fragte sie verärgert, aber das hörte Frau Bengtsson natürlich nicht.
»Das kann unmöglich ausreichen. Dann wäre ja jeder Tierarzt ein Riesensünder, ganz zu schweigen von Metzgern. Oder Fischern, Herrgott, Massenmörder!« Satan kicherte. »Achtung!« Ein ganzer Ast rauschte zu Boden.
»Du, ich glaube, der war etwas zu groß, du schadest dem Baum mehr, als du ihm nutzt. Außerdem brauche ich eine Zigarette.« Bingo, dachte Satan. Aber um nicht noch mehr Misstrauen zu erwecken, fügte er sich. »Okay, okay. Halt die Leiter fest, dann komm ich runter. Das hier ist noch ein ganzes Tagwerk.«
Der Pflaumenbaum atmete auf und dankte Frau Bengtsson im Stillen. Aber er konnte nicht umhin, Rakelmirakel eine kleine Lektion zu erteilen, und ließ eine halb verfaulte Frucht auf ihre Schulter fallen. Satan verstand den Wink, er kicherte und schnipste das stinkende Fruchtfleisch von der Schulter. Na so was, eine faule Frucht. Hilfe.
»Also, erstens glaube ich, dass Yersinia stinksauer ist, und zweitens hat dein Mann völlig recht.«
Frau Bengtsson sah das Kätzchen an, das in der Sonne saß und sie anglotzte. Yersinia sah ganz gewöhnlich dabei aus.
»Stell dich nicht so an. Komm, Mieze, ich kraule dich hinter den Ohren, und dann sind wir wieder Freunde.« Yersinia verfluchte ihre Bestechlichkeit, sprang auf die Bengtsson zu und fing sofort an zu schnurren. »Siehst du! Und dass mein Mann recht hat, habe ich auch gesagt. Spinnen, Hunde oder andere Tiere sind nicht genug.«
»Genau. Gott hat die Menschen über die Tiere gestellt und so weiter. Erstes Buch Mose 1 , 28 : ›Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.‹ Ein Tier zu töten verstößt also nicht gegen die Gebote. Gott sei Dank, oder, Yersinia?«
Das Kätzchen schnurrte und glotzte weiter und schien nichts anderes im Sinn zu haben, als hinter den Ohren gekrault zu werden.
Frau Bengtsson brummte. Seid fruchtbar. »Dann sorg gefälligst auch dafür, dass alle fruchtbar sind.«
»Was hast du gesagt?«
»Ach, nichts. Dann muss es also ein Mensch sein.« Sie dachte kurz nach. »Kann ich das selbst sein?«
»Selbstmord, meinst du?«
»Ja. Früher durften Selbstmörder doch nicht auf dem Kirchhof begraben werden, oder? Wie sieht das denn heute aus?«
Satan dachte nach. So gerne er auch gesehen hätte, wie dieses Hausfrauengeschöpf sich selbst umbrachte – am liebsten auf ungeschickte, schmierige Weise –, in Gottes Augen würde es sie nicht zur Sünderin machen. Deshalb sagte er die Wahrheit: »Im Neuen Testament steht nichts über Selbstmord, und die Schwedische Kirche betrachtet ihn keineswegs als schändlicher als andere Todesarten. Und die Bestattung in geweihter Erde spielt heute keine Rolle mehr.«
»Das soll also heißen …«
»… dass du einen anderen Menschen töten musst. Wie du schon geahnt hast.«
»Teufel auch«, sagte Frau Bengtsson.
»Ja, der auch«, kicherte der Teufel und schob eine Karre viel zu frischer Äste zum Komposthaufen. Dort nahm er einen Armvoll heraus, betrachtete den fruchtbaren Humus und kippte seine ganze Last daneben auf dem Boden aus.
»Sollte man das nicht den Katholiken sagen?«, fragte die Hausfrau.
»Ach, diese Katholiken sind so was von seltsam, das würde keinen Unterschied machen.«
Frau Bengtsson lachte. »Ja, ich weiß. In der Schule hatte ich mal eine katholische Freundin. An Ostern ging ihre ganze Familie in die Kirche, mit einem Korb voll Brot, gekochter und geschälter Eier und einem Zuckerlamm. Sie hatten ihre feinsten Kleider an, und der Priester hielt die Messe. Und weißt du, wie sie
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