Frau Bengtsson geht zum Teufel
hatte der sich mit seinen liebeskranken Zetteln als Tölpel erwiesen – und zu allem Überfluss bekam sie diesen infernalischen Schlager nicht mehr aus dem Kopf –, aber seinen Job sollte er wegen ihr nicht verlieren. Ihr Projekt betraf nur sie selbst, und nur sie sollte dafür einstecken, wenn es so weit kam. Das hier würde sie sicher bereuen, und Reue wollte sie vermeiden.
Also schlich sie noch einmal durch das Viertel und verteilte die Post wieder. Sie war sich nicht zu hundert Prozent sicher, ob alles am richtigen Ort gelandet war, aber das konnte ja jedem passieren. Erst als sie eine Reklamebroschüre in den Briefkasten des neu zugezogenen jungen Paares steckte – Swärdh hießen sie, hihi –, kam sie auf die Idee, ins Einkaufszentrum zu fahren und zu klauen, was immer sich anbot.
Ladendiebstahl. Ein frisches Nikotinkaugummi wanderte in ihren Mund. Sie kaute zu schnell, und es brannte leicht am Zahnfleisch.
Der Alte drehte sich wieder um und glotzte.
Manche Menschen haben einfach kein Benehmen, dachte sie, streckte ihm die Zunge heraus und zog eine Grimasse, während sie den Halteknopf drückte. Der Bus blieb quietschend am Straßenrand stehen. Der alte Glotzer sah sie verdutzt an, zischend öffnete sich die Tür und ließ sie hinaus.
Als sie ausgestiegen war, sah sie plötzlich ein, wie bescheuert sie war. Riesige Sonnenbrille und Kopftuch. Weil Ladendiebe so aussahen. Das war wohl das Letzte, wonach sie aussehen sollte, wenn sie Ladendiebstahl beging. Sie zog das Kopftuch ab, stopfte es in die Handtasche, schob die Sonnenbrille auf die Stirn und zog ein paar Haarsträhnen unter ihr hervor. So. Nun würde sie keine Detektive auf sich aufmerksam machen. Resolut marschierte sie in das cremefarbene Gebäude und war dankbar, dass die Kaufhausmusik endlich den grässlichen Schlager aus ihrem Bewusstsein verdrängte.
Fuck Lasse Holm, diesen Schlagerheini.
Sie lief eine Viertelstunde planlos umher und hatte beinahe vergessen, wozu sie gekommen war, als sie zur Parfümtheke kam. Perfekt. Kleine, aber teure Sachen, und keine Magnetschranke in Sicht. Sie ging zur Theke, und die Verkäuferin sah sie freundlich an.
»Haben Sie vielleicht …«, begann sie und suchte die Regale nach etwas Bekanntem ab, das möglichst weit weg und hoch oben stand.
»Ja?«
Sie fand, was sie suchte, und trat unauffällig ein Stück nach links, wo ein ganzer Stapel teurer Gesichtscremes von Clinique auf dem Ladentisch stand. »… Boucheron?«
»Selbstverständlich«, antwortete die dick geschminkte Tante und drehte sich um.
Frau Bengtsson hob die Hand, um ein paar Dosen Creme einzustecken, aber als die Hand gerade an der richtigen Stelle lag, war die Verkäuferin zurück. Offenbar hatte sie einen Vorrat direkt hinter sich im Schrank. »Hier.«
»Nein«, sagte Frau Bengtsson, »ich glaube, ich habe mich geirrt.« Sie untersuchte die dunkelblaue Schachtel. »Ich muss wohl ein anderes meinen«, sagte sie bittend und ließ die Hand so natürlich wie möglich auf die Theke fallen.
»Ein anderes?« Die Parfümtante runzelte die Stirn und klopfte mit ihren französisch manikürten Acrylnägeln auf die Glastheke. »Ach so! Sie meinen bestimmt das andere Boucheron. Das ist ja auch dumm, dass die den gleichen Namen haben. Aber meistens meinen die Leute dieses hier.« Sie hob die Schachtel an. »Es ist nicht so teuer wie das andere. Warten Sie, ich werde es suchen«, sagte sie fröhlich. Offenbar freute sie sich über den Irrtum. Klar, je teurer, desto besser.
Während die Parfümtante sich umdrehte, die Brille abnahm und den Blick über die Regale schweifen ließ, nutzte Frau Bengtsson die Chance und griff zu. Zwei, drei, vier – fünf kleine, schweineteure Cremedosen stopfte sie in die Jackentasche. Ihr Herz klopfte wie wild, und ihr Gesicht war heiß. Sie hoffte, dass sie keinen Fehler gemacht hatte, und grinste angestrengt die Verkäuferin an, die mit einer klitzekleinen Flasche zurückkam.
»Das ist die kleine Flasche Eau de Parfum. Aber sie hält sehr lang. Bitte schön.« Frau Bengtsson streckte gehorsam ihr Handgelenk aus und bekam eine kleine Dusche. Ja, genau dasselbe wie daheim in ihrem Badezimmerschrank.
»Hmm, das duftet wunderbar«, sagte sie und lächelte. »Was kostet so eine Flasche?«
»Die kleine kostet neunhundertfünfundvierzig Kronen. Wir haben auch eine große, aber ich müsste nachschauen, wie viel sie kostet.«
»Oh, mein Gott, so viel!« Frau Bengtsson tat entsetzt. »Eine Freundin hat es mir empfohlen,
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