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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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verliebt, vor allem in die des Golems. Die vier Buchstaben von Jahves Geheimnamen sind verborgen, und der Rabbiner, der ihn zu entziffern vermag, wird wie Gott sein.
    »Ich werde einen Rabbiner malen, selbst wenn er mir sagt, der Tod sei die einzige Wahrheit. Er soll in der Badewanne sitzen; Rabbiner baden ja lieber, als zu duschen, dabei können sie ihre Kippa auf dem Kopf behalten. Der auf meinem Bild bekommt einen Hut.«
    Gaby und Pablo haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass berühmte Persönlichkeiten bei ihrer Ankunft in Mexiko als Erstes ihre Mutter treffen wollen. Dass Vivien Leigh Jahre nach den Dreharbeiten für Vom Winde verweht an ihrer Haustür klingelt, auf Einlass hofft und am wachstuchbezogenen Küchentisch Tee trinkt, ist ganz normal. Von Isaac Stern will Leonora wissen, ob er Urologe sei. »Nein«, antwortet er, »ich bin Geiger.« Während ihrer Unterhaltung kommt es zu einem kleinen Streit, weil Leonora behauptet: »Sie sind kein Künstler, sondern Interpret.« Statt beleidigt zu sein, steht Stern am nächsten Tag mit sechsunddreißig roten Rosen vor der Tür.
    »Ein paar davon muss ich ins Klo stellen. Wir haben nicht genug Vasen.«
    Peggy Guggenheims Tochter Pegeen entdeckt auf einer ihrer Reisen Acapulco, verliebt sich unsterblich in einen Bootsbesitzer und beschließt, den Rest ihres Lebens im Badeanzug und mit einem Glas Tequila in der Hand zu verbringen. Wenig später taucht Peggy mit ihrer immer gleichen Nase und weit aufgerissenen Augen in der Calle Chihuahua auf. Leonora bietet ihr am Küchentisch einen Tee an.
    »Könntest du mich nach Acapulco begleiten, um den Bootsbesitzer zu suchen und anzuzeigen?«
    »Weswegen willst du ihn denn anzeigen?«
    »Wegen Entführung, wegen Missbrauchs, wegen …«
    »Peggy, wir sind hier in Mexiko, und deine Tochter ist erwachsen. An die Strände von Acapulco kommen Tausende von Gringas, denen die Bootsbesitzer den Kopf verdrehen. Da ist Pegeen nicht die einzige, außerdem gibt es im Gefängnis von Guerrero keine Zellen für geile Bootsbesitzer.«
    »Laut dem chinesischen Horoskop bist du eine Schlange, Leonora.«
    »Ob Schlange, Ziege, Hund oder Affe, ich fahre nicht mit dir nach Acapulco. Ich kann dir höchstens einen Anwalt empfehlen, wenn du willst.«
    Gaby und Pablo verbringen einige Zeit in einem Kibbuz in Israel und kehren schlank und braungebrannt zurück.
    »Wir haben Säen, Ernten, Lastenschleppen gelernt. Ich weiß jetzt alles über Landwirtschaft«, erzählt Pablo stolz. »Unsere Arbeitstage waren sogar noch länger als deine, damals in den Weinbergen.«
    Beide lernen Hebräisch und zeigen Leonora, dass sie von rechts nach links schreiben können wie sie.
    »Mit beiden Händen und beiden Hirnhälften schreibt niemand außer mir«, sagt Leonora, ihren Schatz verteidigend.
    Der Freiheitsdrang ihrer Söhne macht Leonora zu schaffen, und zum ersten Mal wird ihr klar, wie schwer sie Harold Carrington einst das Leben gemacht haben muss. Beide Jungen haben das Temperament ihrer Mutter geerbt und wagen stets das Unmögliche. Im Schatten einer Riesin zu leben erscheint ihnen gefährlich. Der Ältere schafft sich mit fünfzehn sein erstes Auto an. Larry Bornstein, ein befreundeter Jude und Kunstliebhaber, lädt die Brüder Weisz-Carrington nach New Orleans ein, wo er ein Restaurant betreibt, in dem fünf Schwarze Jazz spielen. ›La Nouvelle Orléans‹, wie Gaby die Stadt nennt, ist wunderschön, das französische und afrikanische Essen ein Genuss. Bornstein bietet den Jungs an, ihn jederzeit wieder zu besuchen.
    Gaby fasziniert der Zirkus, diese Menschheitsparodie, bei der alles möglich ist: traurige Clowns, schwangere Seiltänzerinnen, Elefanten mit eigener, tragbarer Dusche, zersägte Frauen, die nach der Zirkusnummer wieder zusammenwachsen und mit dem Zylinder in der Hand grüßen. Alle Artisten sind Untertanen der Roten Königin; doch die würde sie niemals köpfen lassen, da sie ohnehin schon kopflos leben.
    Für Gaby ist die Welt der Elefantenmenschen, bärtigen Frauen und sprechenden Schildkröten wirklicher und verlockender als die Welt der Universität. Als Hund verkleidet führt er Regie und schauspielert; María Félix, die gerade von Leonora porträtiert wird, schaut ihm dabei zu. Meistens kommt sie mit Juan Soriano zum Essen, dann wird jedes Mal viel gelacht. An diesem Abend sagt Leonora nach der Vorstellung, die Zirkustiere täten ihr leid.
    »Vor allem die Pferdchen mit ihren Amazonen auf dem Rücken.«
    »Amazonen sind starke

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