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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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»Können wir zwei denn nie allein sein?«
    Die Szenen häufen sich, die Aurenche verfolgt das Paar durch die Straßen, weiß immer genau, wo es hingeht. Eines Tages, als Leonora Max ins Atelier in der Rue des Plantes begleitet, bricht Marie Berthe die Tür auf, wirft sich ihm in die Arme und verkündet:
    »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass wir in Urlaub fahren, du und ich.« Von Leonora nimmt sie keine Notiz. »Ich muss unter vier Augen mit dir sprechen.«
    Max erschrickt.
    »Verzeih mir, Leonora, ich muss diese Sache in Ordnung bringen. Möchtest du nicht ein Bad nehmen? In zwanzig Minuten bin ich wieder da.«
    Leonora zieht sich Schuhe und Strümpfe aus und läuft barfuß durch den Raum. Nach dem Baden inspiziert sie das Atelier, in dem Max nach und nach Fahrräder und halbfertige Objekte zusammengetragen hat. In einem Regal stehen Flaschen, Räder, Öldosen, billige Figürchen, dazwischen liegen Schraubenschlüssel, Hämmer und Garnrollen. Und Bücher, deren Titel mehr mit Mechanik und Klempnerei zu tun haben als mit Malerei.
    Neben einem Knoblauchzopf aus Porzellan versuchen einige Küchenschaben aus einer Kiste zu krabbeln. Ein Paar Mechanikerhandschuhe und ein Spinnrad schaut Leonora sich genauer an. Auf dem Spinnrad liegt ein schwarzes, rosenbesticktes Korsett mit dunkelvioletter Schnur. Leonora schlüpft hinein. Sie schnürt es um die Taille herum fest, aber es reicht ihr bis zu den Knien. ›Warum habe ich bloß so dünne Oberschenkel?‹, denkt sie, schließt die Augen und stellt sich ihre Beine stattlich und warm vor.
    Marie Berthe öffnet die Tür.
    »Bist du immer noch hier? Damit du’s weißt, mein Mann und ich fahren morgen in Urlaub, und du verschwindest schnurstracks auf deine Insel!«
    »Ich gehe, sobald er mich darum bittet.«
    »Du gehst jetzt!«, schreit sie. »Du hast grässliche Zehennägel.«
    Leonora bückt sich und will nach ihren Schuhen greifen, aber das Korsett hindert sie daran.
    »Ich verschwinde. Nicht einmal mein Vater hat es jemals gewagt, mich so anzuschreien.«
    »Zieh erst das Korsett von Max aus!«
    »Das Korsett von Max?«, fragt Leonora grinsend.
    »Du dumme Gans, warum lässt du uns nicht endlich in Ruhe? Bevor du aufgetaucht bist, waren wir glücklich. Merkst du nicht, dass ich sehr, sehr krank bin?« Sie lässt sich zu Boden fallen. »Ich sterbe, ich habe nur noch wenige Monate zu leben.«
    »Dann stirb doch endlich!«, erwidert Leonora entnervt.
    Marie Berthe liegt strampelnd am Boden. Erstickte Schluchzer schütteln sie, dann scheint es, als verliere sie das Bewusstsein.
    Leonora macht Anstalten, ihr aufzuhelfen.
    »Ich kümmere mich schon um sie«, schaltet sich Max ein und hält Leonora zurück. »Sie ist fähig, sich umzubringen. Ich werde sie ins Bett legen.«
    Da erwacht Marie Berthe.
    »Ich gehe nicht schlafen, solange diese Sau noch hier ist.«
    »Offensichtlich bin ich hier der Eindringling«, sagt Leonora und geht zur Tür.
    »Warte«, befiehlt ihr Max.
    Marie Berthe kreischt.
    »Wenn ich es mir recht überlege, ist es wohl doch besser, du gehst«, sagt Max mit zittriger Stimme.
    »Ist gut.«
    An der Tür hält er sie abermals auf und flüstert ihr zu: »Café de Flore, in einer Stunde.«
    Leonora setzt sich an einen Tisch, und nach drei Minuten kommt eine blonde Frau zu ihr herüber und bittet sie um Feuer.
    »Man sieht schon von Weitem, dass Sie Engländerin sind, nur Engländer bestellen um diese Uhrzeit Tee. Mein Name ist Charlotte, ich bin aus Ungarn gekommen, um in Frankreich Arbeit zu suchen.«
    »Als was?«
    »Als Nutte.«
    Sie plaudern eine Dreiviertelstunde, bis Ernst kommt. Er hat eine Schramme im Gesicht, die von seinem rechten Auge bis hinunter zum Mund reicht. Als Charlotte ihn sieht, verabschiedet sie sich.
    »Lass uns aus Paris verschwinden und nach Saint-Martin d’Ardèche fahren, ich kann sie nicht länger ertragen. Außerdem habe ich die Nase voll von den Streitereien der Surrealisten.«
    Leonora willigt sofort ein. Sie weiß nicht, dass ihr Geliebter das Dorf am Fluss nur durch Marie Berthe kennt, dass dort das Geburtshaus der Familie Aurenche steht. Obwohl er sich Sorgen um seine nervenschwache zweite Ehefrau macht, zögert er nicht, mit einer anderen Frau in dem Dorf Zuflucht zu suchen.
    »Ich glaube, es ist besser, du gehst jetzt in die Rue Jacob und packst deinen Koffer. Um halb sieben hole ich dich ab. Wir sollten so bald wie möglich aufbrechen.«
    »Hatte Marie Berthe wirklich einen Anfall?«
    »Du hast ja gesehen, dass sie

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