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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Krankenschwester neben ihrer Patientin, die sich abplagt und fortwährend wiederholt:
    »Ich muss den Weg finden.«
    »Den Weg zum Licht?«, fragt Frau Asegurado ironisch.
    »Leonora, Leonora«, ruft plötzlich eine Männerstimme hinter einem der vergitterten Fenster im Pavillon Unten.
    »Wer bist du?«, ruft Leonora verdutzt zurück.
    »Alberto!«
    Der Arzt liebt sie also doch und ist nach Santander gekommen, um sie abzuholen.
    Blitzschnell rennt Leonora los und hüpft ausgelassen zwischen den Apfelbäumen umher.
    »Alberto liebt mich, Alberto.«
    Frau Asegurado kann nirgends einen Alberto erkennen. Keuchend folgt sie Leonora, schafft es aber nicht, sie einzuholen, da taucht die Putzhilfe Piadosa auf, gefolgt von einem schwarzen Hund. Leonora läuft ihnen allen davon, sie ist wieder eine Stute. Alberto ist zu ihr gekommen, etwas Besseres konnte ihr gar nicht passieren!
    Die Jagd auf sie leitet ein großer, kräftiger Mann, in dem Leonora eine mächtige Persönlichkeit erkennt. ›Er wird dafür sorgen, dass man meine Verfolgung einstellt.‹ Vertrauensvoll macht sie kehrt, doch als sie ihm ins Gesicht schaut, begegnen ihr zwei forschende Augen, die in dem gleichen Blau erstrahlen wie die von Van Ghent. Dieser Kerl mit den hellen Augen, der ihr die Hand reicht, kann nur in geheimer Verbindung mit der Bande von Imperial Chemical Industries stehen.
    Leonora weigert sich, die ausgestreckte Hand zu ergreifen. Sie ist die Stute der Nacht, niemand kann sie einholen, ihr schwarzes Haar flattert hinter ihr her, und der Arzt beobachtet vergnügt ihre Flucht, bis plötzlich die beiden Krankenpfleger José und Santos um die Ecke kommen und sich auf sie werfen. Der eine ist schlank und wendig, der andere robust und glatzköpfig. Heftig wehrt sich Leonora gegen ihre Angreifer, tritt um sich mit der Kraft, die ihr die Verzweiflung verleiht, bis es den beiden Krankenpflegern schließlich gelingt, die atemlose Leonora vor den Füßen von Don Luis zu Boden zu drücken. José setzt sich auf ihren Oberkörper, während Santos und Frau Asegurado ihr Beine und Arme festhalten. Einen kurzen Moment nachlassender Abwehr nutzt die Krankenschwester, um Leonora eine Nadel ins Bein zu stoßen. Was spritzt sie ihr? Mit welchem Recht? Wieder freigelassen, stürzt Leonora sich wie ein wildes Tier auf den Arzt, hämmert ihm gegen die Brust und kratzt ihn blutig. Da packt Santos sie von hinten und drückt ihr die Kehle zu. Luis Morales macht sich los, streicht sich seinen weißen Kittel glatt und führt Leonora zur Villa Covadonga.
    Dort binden José und Santos sie nackt ans Bett. Don Luis betritt den Raum und betrachtet sie. Leonora fragt ihn, warum man sie gefangen halte und so übel behandele. Ohne eine Antwort verlässt er den Raum.
    »Don Luis ist Ihr Arzt«, erklärt Frau Asegurado.
    »Ich sehe ihn zum ersten Mal. Ich kann mich an nichts erinnern«, sagt Leonora ängstlich und schwört sich, dass niemand mehr in ihr Zimmer kommen und sie ausfragen wird. Wie viel Unkontrollierbares soll ihr denn noch widerfahren?
    Nachts versucht Leonora mit aller Macht, wach zu bleiben. Es gelingt ihr mit bloßer Willenskraft. ›Ich werde nicht zulassen, dass man Besitz von mir ergreift‹, wiederholt sie sich so lange, bis Frau Asegurado hereinkommt und sie losbindet.
    »Nehmen Sie Ihre Medizin«, sagt die Krankenschwester und reicht ihr ein Glas Wasser und eine Tablette.
    »Was ist das?«
    »Ein Desinfektionsmittel.«
    »Wie heißt das Mittel?«
    »Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt, nehmen Sie die Tablette.«
    »Nein, ich nehme sie nicht, solange ich nicht weiß, was es ist.«
    »Hier bestimmt der Arzt.«
    »Nein, ich bestimme über mich selbst.«
    »Dann müssen wir Ihnen wieder eine Spritze geben.«
    »Ich werde keine weitere Spritze dulden und auch nicht, dass Sie mir bei jedem Schritt, den ich tue, den Weg versperren.«
    Leonora springt aus dem Bett und rennt zum Bad, um sich einzuschließen. Mit aller Macht stemmt sie sich gegen die Tür, so dass Frau Asegurado sie nicht öffnen kann.
    »Wenn Sie Ihre Medizin nicht nehmen, müssen wir Ihnen wieder eine Spritze geben, und Ihr Körper ist bereits übel zugerichtet. Also gehorchen Sie bitte«, hört sie die Stimme von Doktor Morales.
    »Wenn ich meinem Vater schon nicht gehorcht habe, dann Ihnen erst recht nicht.«
    Mit Josés Unterstützung gelingt es Leonora, Don Luis ein Blatt Papier mit einem aufgezeichneten Dreieck zukommen zu lassen, auf dem sie ihm erklärt, warum sie dazu berufen wurde, die

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