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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Chinesisch sprechen, und jetzt weiß ich nicht mal mehr, wo China liegt. Sind die Kranken hier Chinesen oder Juden?«
    Leonora beantwortet sich die Frage selbst: Die Insassen sind Juden und sie selbst ist im Irrenhaus, um Max zu rächen und all die anderen, die sie in Les Milles hinter dem Drahtzaun gesehen hat.
    José und Leonora verabreden sich in entlegenen Winkeln des Parks, um sich zu küssen.
    »Wo haben Sie sich versteckt, Leonora?«, ruft ihre Krankenschwester.
    »Küss mich noch einmal, bevor man uns findet.«
    Wie lästig, wenn man sich küssen will und der Feind auf der Lauer liegt!
    José schenkt ihr Zigaretten.
    »Wärst du nicht so verrückt, würde ich dich heiraten.«

Nanny
    Don Luis kündigt ihr Nannys Ankunft an.
    Nach vierzehn Tagen in der engen Kabine eines Kriegsschiffs trifft Nanny in der Anstalt ein, verstört und so aufgeregt, dass sie nur schwer zu beruhigen ist. Wer kommt nur auf die Idee, fragen sich die Morales, eine Bedienstete, die kein einziges Wort Spanisch spricht, nach Santander zu schicken? Nanny läuft umher wie ein aufgeschrecktes Huhn, und niemand bietet ihr eine Tasse Tee an.
    Leonora empfängt sie voller Argwohn.
    »Meine Eltern haben dich in einem leuchtenden U-Boot hergeschickt, damit du mich nach Hazelwood zurückholst, stimmt’s? Warum sind sie denn nicht selbst gekommen, wenn sie sich solche Sorgen machen?«
    »Prim, ich bin hergekommen, weil ich dich liebe und dich seit vier Jahren nicht mehr gesehen habe. Was glaubst du, wo ich einen Tee bekommen könnte?«
    »Fahr zurück nach England, da kriegst du einen.«
    Leonoras Feindseligkeit verschärft sich rasch. Nanny hört sie husten und will ihr ein Glas Wasser bringen, aber da sie nicht weiß, wo die Küche ist, verläuft sie sich. Jedes Mal, wenn sie Leonora die Kissen zurechtrückt, dreht diese sich um und wendet ihr den Rücken zu. Nanny will die Krankenschwester ersetzen, aber Leonora amüsiert sich nur über die Unbeholfenheit der kleinen, runzeligen Frau mit dem grauen Knoten im Nacken. Sie macht sich keine Gedanken darüber, wie Nanny angereist ist, ob sie Hunger hat, ob sie müde ist, wo sie schlafen wird. Sie fragt sich einzig und allein, wozu sie gekommen ist. Nanny versetzt sie zurück in die Kindheit und verstärkt mit ihrer Gegenwart die Verwirrung in ihrem Kopf. »Benimm dich, Prim, benimm dich«, sagt sie, wenn Leonora das Essen verweigert. Wenn sie weint oder einen Wutanfall bekommt, setzt Nanny sich zu ihr ans Bett:
    »Prim, früher warst du durchaus imstande für das zu kämpfen, was du wolltest.«
    Manchmal lässt sie Namen fallen, erwähnt Black Bess, Leonoras Pony, Winkie , ihre Stute,oder Tim Braff, den Sohn des Chauffeurs, den Leonora gern mochte – »Er hat geheiratet, seine Frau erwartet ein Kind« –, oder sie berichtet ihr von Harolds Lieblingshund, der jetzt unter der Erde liegt, oder dem neuen Erzbischof, der die Messrituale ändern will und mit den Republikanern sympathisiert. Wie lebhaft ihre Erzählungen sind, wie grün die Erinnerung, wie unwiderstehlich das Eintauchen in die Kindheit! Die Gesichter von Gerard, Pat und Arthur wirbeln durch Leonoras Kopf und verschleiern ihr den Blick.
    »Sei endlich still, Nanny.«
    Leonora findet Nannys Naivität unerträglich. Bekümmert über das Verhalten ihrer Herrin, zieht diese sich mit eingekniffenem Schwanz zurück. ›Nanny ist eine unbedeutende Frau ohne Autorität‹, findet Frau Asegurado. Selbst den Zimmermädchen entgeht nicht das Auf- und Abgelaufe der Kinderfrau, die nicht einmal Begrüßungsworte versteht. Gekränkt und eifersüchtig, weil eine andere ihren Platz an Leonoras Seite eingenommen hat, begeht Nanny einen Fehler nach dem anderen, bis Leonora ihr nicht einmal mehr erlaubt, sie zur Toilette zu begleiten.
    Nanny irritiert Leonora mit ihrem Gefühlsüberschwang und ihrer gerunzelten Stirn. Bei jeder Zurückweisung schießen ihr die Tränen in die Augen und bringen ihre Herrin zur Raserei. Was hat diese unbeholfene Abgesandte der Vergangenheit, die sie wie früher bei der Hand nehmen und nach Lancashire zerren will, hier zu suchen? Angewidert zuckt sie zurück, wenn Nanny den Arm nach ihr ausstreckt.
    »Wage es nicht, mich anzufassen. Du bist Carringtons Komplizin.«
    Sie tut Nanny dasselbe an, was man ihr angetan hat, als sie in die Klinik kam: Sie demütigt sie. Es fehlt nur noch, dass sie ihr Cardiazol spritzt.
    »Ich bin gekommen, um dir zu helfen. Warum funkt diese Deutsche immer dazwischen,Prim?«
    »Weil sie eine

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