Frau des Windes - Roman
und der alte Amédée Ozenfant kommen häufig zusammen. Sie wandern von Party zu Party, immer Peggy hinterher, die mögliche Käufer um sich schart. Ihre Energie ist unerschöpflich, ihre Kaufkraft ebenfalls. Sie fördert, macht bekannt, lobt, spricht von Originalität, von Avantgarde. Mit dem Glas in der Hand wandert sie von einem Grüppchen zum anderen, gertenschlank und hoheitsvoll wie ein Model, und immer wirkt sie, als säße ihr ein zappeliges Tier im Leib. Sie lädt zum Diner ein, verteilt Komplimente, den Blick stets aufs Geschäft gerichtet, und mit ihrer Hilfe verkaufen die Surrealisten ihre Werke.
Ungeniert huldigen sie alle den Millionären, preisen ihre Ware an wie Straßenverkäufer oder erzählen herum, sie stünden kurz vor dem Selbstmord. Sich in Szene setzen lautet die Devise, und Peggy ist die Königin der Public Relations. Die Presse verbreitet ihre Skandale und verkauft sie an den Meistbietenden.
Peggys Terminkalender füllt sich mehr und mehr. ›Lunch mit Herbert Read‹, ›Tee mit Elsa Maxwell‹, ›Interview mit den Verlegern von New York Times , Vogue und Harper’s Bazaar ‹.
Hinter den leblosen Gemälden, für die die Maler untereinander um die besten Ausstellungsorte kämpfen, kocht und brodelt das Geld. Jeder Schritt der Guggenheim durch ihren großen Salon ist Dollars wert, wenn sie die Hand zum Kuss reicht, flattern die grünen Scheine, jedes Telefonat ist ein Geschäftsabschluss. Natürlich wird sie das große Bild behalten, auf dem Leonora Max in Saint-Martin d’Ardèche gemalt hat – Loplop, der Vogelobere –, das er gerettet und ihr übergeben hat.
»Schick sie doch alle zum Teufel, in Mexiko werde ich dich unterhalten«, bietet Renato Leonora an.
»Das kann ich nicht, sie sind meine Freunde, meine Familie.«
»Ich glaube, ich bin mehr als das.«
Leonora schweigt.
Ungewollt hat Dalí den Surrealisten den Weg nach New York geebnet. 1939 baten die Kaufhausinhaber Bonwit und Teller den Künstler, in ihrem Hauptgeschäft eine Vitrine zu gestalten. Der Katalane wählte dafür das Thema ›Tag und Nacht‹. DenTag bildete eine Schaufensterpuppe, die im Begriff war, in eine mit Persianerpelz ausgeschlagene Badewanne – ähnlich der Pelztasse von Meret Oppenheim – zu steigen, für dieNacht ließ Dalí vor schwarzen Laken und Vorhängen Kohlen glühen. Ohne den Künstler um Erlaubnis zu bitten, gestalteten die Ladenbesitzer die ihnen zu obszön erscheinende Szene um, worauf der empörte Dalí so lange abwartete, bis genügend Menschen sich vor dem Schaufenster versammelt hatten, und sich dann mitsamt der Badewanne durch die Scheibe in die Menge stürzte. Das Gericht verdonnerte ihn zur Erstattung der zerbrochenen Glasscheibe, und um einer Haftstrafe zu entgehen, musste er eine Kaution hinterlegen, die sein Mäzen Edward James übernahm. »Kein Problem«, meinte dieser. »Ganz New York ist verrückt nach Dalí.« Inzwischen lauern die Neugierigen schon auf das nächste Spektakel.
Max Ernst bedrängt Leonora:
»Du bist meine Frau, du bist die, die ich liebe, die Windsbraut. Loplop und sie können nicht getrennt leben.«
Eine Stunde nachdem Renato zur Botschaft aufgebrochen ist, steht er vor der Tür.
»Komm, wir gehen!«
Leonora hängt sich ihren Regenmantel um und folgt ihm. Anders als Renato ist Max ihre Welt, ihr Mentor, er zeigt ihr die Bauten, die man gesehen, die Bücher, die man gelesen haben muss, lässt vor ihren Augen eine ruhmreiche Zukunft erstrahlen, redet vom Grand Prix der Biennale von Venedig.
Erscheint er nicht, flammt Leonoras Sehnsucht auf, dann ruft sie ihn an und bittet ihn, sie zum Essen auszuführen. Geheime Bindungen sind wie verschlossene Truhen, und Max hat den passenden Schlüssel. Sie laufen entlang des Hudson, über den die großen, traurigen Frachtkähne gleiten, die Bell Chevigny im Riverside Drive von ihrem Fenster aus vorbeiziehen sieht.
»Spazierengehen tut uns gut, und wir können uns einbilden, der Fluss wäre die Seine.«
Von zehn Uhr morgens bis acht Uhr abends laufen sie in exaltierter Stimmung durch die Stadt, machen Halt am Washington Square, flanieren durch Manhattan, entdecken die Lower East Side, gehen bis nach Brooklyn, was Max mit Peggy nie macht. Die Guggenheim versorgt ihn, Leonora inspiriert ihn. Peggy organisiert eine Ausstellung nach der anderen, um zu vergessen, dass Max heimkommt, wann er will, und nur Augen für Leonora hat. Leonora ist die Frau, die er Fremden vorstellt, der er den Arm reicht, die er nicht aus den
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