Frau des Windes - Roman
einander gegenüber und kämpfen mit Blicken. Aus Leonoras Augen schießen Dolche, Peggys Nase krümmt sich.
»Entweder du gehst zurück zu Max, oder du überlässt ihn mir.«
»Er gehört dir allein.«
»Dann bleibst du also bei dem Mexikaner?«
»Das ist meine Sache.«
»Was wirst du tun?«
»Vorerst nicht mehr nach Estoril kommen. Die Pferde werden mir allerdings fehlen.«
Leonora steht auf, ohne Peggys Antwort abzuwarten.
Als Peggy Max von dem Gespräch erzählt, tobt er und zwingt sie, Leonora zu schreiben, um sie zu bitten, ihre Besuche in Estoril wiederaufzunehmen.
Leonora lässt sich nie wieder dort blicken.
»Bestimmt ist der Mexikaner unterhaltsamer«, vermutet Kay.
Die Guggenheim
»Der Krieg verändert alles, Max!«
»Das weiß ich. Schließlich wurde ich dreimal interniert. Wenn hier also jemand Ahnung von Veränderungen hat, dann ich.«
›Und ich?‹, denkt Leonora. ›Warum fragt er nie nach meiner Zeit in der Anstalt? Warum hat er mir bei unserem Wiedersehen nur vorgeworfen, ich hätte das Haus und seine Bilder verloren? Warum hört er mir nicht zu, warum redet er nur von sich? Auch in Saint-Martin d’Ardèche hat sich alles um ihn gedreht. Als ich ihn als Vogeloberen mit Federumhang gemalt habe, ist es mir kalt den Rücken heruntergelaufen, genau wie jetzt; damals hatte ich Angst, er könnte mich vernichten.‹
Eines Nachts hört Peggy ein Klopfen an der Tür ihres Hotelzimmers. Als sie öffnet, stehen Leonora und Max vor ihr.
»Hier, ich bringe ihn dir zurück«, sagt die Engländerin.
Gleichwohl hat Leonora mehr mit den Künstlern in Peggys Dunstkreis gemein als mit Renato Leduc. Sie sprechen dieselbe Sprache, verkehren in denselben Kreisen, lesen dieselben Bücher, frequentieren dieselben Bars und Galerien. Sie sind unersättlich. Und sie bieten all ihren Witz auf, wenn es gilt, Abwesende zu kritisieren.
Peggy Guggenheim rühmt Lucian Freud, Herbert Read bremst ihren Sammeltrieb. Die vielen Käufe haben den Blick der Millionärin freilich geschärft. Mag sie sich auch häufig auf Read stützen, bei etlichen Gelegenheiten entscheidet sie allein und trifft den Nagel auf den Kopf. Kay Boyle klagt, der Krieg hindere sie am Schreiben, und will mit Leonora über Beckett sprechen.
»Ich weiß nicht, wer Beckett ist«, erwidert Leonora beschämt, »aber am allerschlimmsten ist, dass ich nicht mal Djuna Barnes gelesen habe, von der ihr dauernd redet.«
»Dafür kennst du Read, der Peggy bei ihren Kunstkäufen berät.«
»Ja, neulich sind wir zusammen am Kai spazieren gegangen.«
Peggy bietet Leonora an, mit der Gruppe nach New York zu fliegen.
»Danke, ich nehme das Schiff, mit Renato Leduc.«
»Dann verlässt du Lissabon also vor uns?«, schaltet Max sich ein.
»Ja, wir reisen auf der Exeter .«
»Glaubst du, du könntest ein paar von meinen Bildern mitnehmen. Im Clipper kann ich sie nicht transportieren«, sagt Max mit blasser, beklommener Miene.
»Ja, kann ich.«
»Es ist eine dicke Rolle. Der Loplop , den du gemalt hast, ist dabei und meine Leonora im Morgenlicht .«
Nachts im Hotel sagt Leonora zu Renato:
»Max liebt Peggy nicht und ist trotzdem mit ihr zusammen.«
»Und du? Du hast mich geheiratet, aber liebst du mich auch?«
»Noch nicht, aber eines Tages könnte ich dich lieben«, gesteht Leonora. »Was hältst du eigentlich von Peggy?«
»Peggy ist eine gringa , die ihr Geld mit Verstand ausgibt.«
»Und von Max?«
»Über diesen hijo de la chingada rede ich lieber nicht.«
»Was ist denn ein hijo de la chingada ?«
»Das wirst du in Mexiko schon noch erfahren. Für mich ist dieser Max einfach ein Scheißkerl.«
Leonora schweigt und wiederholt immer wieder wie ein stummes Gebet: ›Ich habe Renato geheiratet, ich bin mit Renato zusammen. Wenn ich jemandem etwas schulde, dann Renato.‹
Ausreisewillige bestürmen Leduc im Konsulat, jeden Abend kehrt er erschöpft ins Hotel zurück.
»Die Zustände sind dramatisch, man könnte meinen, eine neue Sintflut sei über die Welt hereingebrochen. Alle wollen an Bord der mexikanischen Arche.«
»Vergiss bloß niemanden, auch die letzten beiden Echsen nicht – selbst wenn in deiner Heimat Krokodile daraus werden sollten.«
An Deck der Exeter im Liegestuhl neben Renato zu sitzen tut Leonora gut. Fürsorglich streckt er seine Hand aus, um ihr die Decke über die Schultern zu ziehen. Die Matrosen drehen sich nach ihr um, wenn sie mit wehendem Haar im Wind steht. Weder der Maschinenlärm noch das magere Essen machen
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