Frau des Windes - Roman
bemerkt Peggy. »Bestimmt hängt ihr Aufzug mit ihrer Verrücktheit zusammen.«
»Sei nicht so grausam, Peggy«, fällt Kay ihr ins Wort, »sie kommt gerade aus dem Krankenhaus, und noch vor wenigen Monaten war sie in der Psychiatrie.«
»Schlag ihr doch vor, mal aufzuschreiben, was sie dort erlebt hat.«
»Das wird sie auch tun. Es war eine grauenvolle Erfahrung. Der Mexikaner hat ihr geholfen und passt jetzt weiterhin auf sie auf.«
»Gut, dass er für sie da ist; denn Max hat seine erste Frau verlassen und seine zweite zum Teufel geschickt, und um seinen einzigen Sohn kümmert er sich überhaupt nicht.«
»Der Mexikaner gibt ihr Halt …«
»Den braucht sie auch unbedingt. Ich habe nämlich den Eindruck, sie bewegt sich auf dünnem Eis.«
Leonora erklärt Max, dass sie Renato bis zur Reise nach New York nicht verlassen könne.
»Es kränkt mich tief, dass du bei ihm bleibst. Am liebsten würde ich dich gar nicht mehr sehen.«
Laurence Vail beschließt, an den Strand von Monte Estoril zu fahren; die Clique folgt ihm.
Am ersten Abend läuft Peggy im Hotelfoyer Max in die Arme und fragt ihn nach Laurence’ Zimmernummer, sie wolle ihm Gute Nacht sagen. Max gibt ihr seine eigene. Peggy verbringt die Nacht mit ihm, und sie nehmen ihr früheres Liebesleben wieder auf.
In den fünf Wochen, die sie an der Küste verbringen, stößt Leonora häufig zu ihnen und bleibt den Tag über am Meer. Der Reitclub ist herrlich, hat gute Pferde, die Atmosphäre dort erinnert sie an früher. Kinder und Erwachsene sitzen den ganzen Morgen im Sattel. Leonora zeigt, was sie kann. Sie wird eins mit dem Pferd, ist eine Stute mit Frauenkopf. Energiewellen bündeln sich um ihre Gestalt, ihr ungestümer, kraftvoller Galopp zieht die Blicke an. Gebannt bleiben die Kinder stehen, können den Blick nicht von der Rennbahn lösen. Hinreißend sieht sie aus, ihre Gestalt streckt sich, sie nimmt die Hindernisse, die Hufeisen klappern, sind Glocken, Glücksbringer. Nichts genießt sie so sehr wie diesen Flug auf dem Pferderücken, den Max mit Raubvogelaugen verfolgt.
»Was tust du an der Seite dieses minderwertigen Mannes?«, fragt Max, als er neben ihr im Sattel sitzt.
»Was meinst du damit?« Abrupt bleibt Leonora stehen.
»Das weißt du ganz genau.«
Leonora gibt ihrem Pferd die Sporen.
»Er ist nicht minderwertig, ihm verdanke ich mein Leben.«
Zurück im Reitstall, schimpft Max abermals auf den Mexikaner.
»Untersteh dich, ihn schlechtzumachen, das lasse ich nicht zu.« Leonoras Blick verschleiert sich. »Ich war völlig am Ende, weil ich dich verloren hatte, aber der Aufenthalt in der Psychiatrie hat mir die Augen geöffnet.«
»Nach einer Erfahrung wie deiner ist das Leben nicht mehr wie früher, ich weiß, aber von jetzt an werden wir zusammen leben und zusammen malen.«
»Und Peggy?«
»Peggy liebe ich nicht.«
»Wenn du sie nicht liebst, solltest du nicht mit ihr zusammen sein.«
»Peggy war meine einzige Rettung. Und du? Liebst du den Mexikaner?«
In seiner Angst, sie zu verlieren, bedrängt er sie.
»Peggy weiß, dass du die Frau bist, die ich liebe.«
»Also benutzt du sie.«
»Benutzt du deinen Mexikaner denn nicht?«
»Ich bin in einer anderen Situation.«
»Nein, keineswegs. Peggy verhilft mir zur Flucht aus Europa, aber wenn ich erst einmal in New York bin, wird alles anders.«
»Der Krieg macht uns alle verrückt. Ich verdanke einem anderen Mann, dass ich überlebt habe. Und was unsere Geschichte betrifft, bin ich mir nicht mehr sicher«, sagt Leonora und reitet davon.
Eines Sonntags kommt sie mit Renato nach Estoril. Auch er ist ein ausgezeichneter Reiter und unterhält die Gesellschaft mit seinen Geschichten von Pancho Villa, dem Einzigen, der die Vereinigten Staaten überfallen hat, dem Zentauren des Nordens, dem General, der ganze Bahnlinien mit ihren Zügen in die Luft gejagt und die Frauen auf dem Pferderücken mitgenommen hat. Leonora lächelt, Max schäumt vor Wut und versucht, ihm die Show zu stehlen, während Peggy von der mexikanischen Revolution schwärmt: »Das waren noch echte Männer!«
Die Gruppe ist der einhelligen Meinung, Leduc könne ohne weiteres ein Bataillon kommandieren, eine Festung stürmen und die Wüste von Antar im Galopp durchqueren.
Morgens öffnet Leonora die Tür, das nasse Haar fällt ihr auf die Schultern.
»Ich möchte mit dir sprechen«, sagt Peggy. »Es wird Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen. Ich lade dich auf einen Drink ein.«
Die beiden Frauen sitzen
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