Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel: Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß (German Edition)
sicher, dass er es von den Gebäuden auf der deutschen Seite geplant hatte. Er nahm seine Kamera und spähte durch das Teleobjektiv. Das war wesentlich unauffälliger, als durch ein gewöhnliches Fernrohr zu schauen. Er machte auch ein paar Mal klick, damit die Passanten, die an ihm vorbeischlenderten, nichts merkten. Der Kirchturm war wirklich sehr interessant. Sein Blick blieb jedoch an dem kleinen Dachausschnitt der Friedrichschule hängen. Er erkannte einen kleinen unregelmäßigen Fleck auf den Ziegeln. War da nicht ein kleines Loch zu sehen? Genau in Flugrichtung zur Passerelle? Das musste es sein. Von dort hatte er sicherlich seinen Angriff starten wollen. Es war perfekt. Nur mit einem äußerst guten Teleobjektiv konnte man die kleine Unregelmäßigkeit im Dach der Schule entdecken. Was war nur passiert?
Frau Edelweiß rief ihre Stammpizzeria in Willstätt an, eigentlich war es keine Pizzeria, sondern ein kleiner Dönerladen in der Hauptstraße. Wenn Frau Edelweiß ebenso viel Lust hätte zu kochen, wie ihre Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken, wäre sie Dreisterneköchin geworden. Nur leider verhielt es sich nicht so. Wenn sie nicht bei Hotel Mama essen konnte, hielt sie sich und ihre beiden Kinder mit Fertigpackungen und Fast Food über Wasser. In den Ferien gab sie sich etwas mehr Mühe, was dann immer wieder ungläubige Reaktionen ihrer Kinder hervorrief. „Mama, du kannst ja kochen!“ Der Dönerladen war zuverlässig, die Pizza würde fertig sein, noch ehe sie in Willstätt ankam und der Laden lag gerade auf ihrer Strecke. Nachdenklich stopfte sie sich zuhause die kalorienreiche Kost rein. In Gedanken war sie längst bei dieser Fortbildung und Frau Dussek. Ihre Kinder aßen heute in der Mensa und sie musste keinen Blitzableiter für all die Probleme und Sorgen angehender Pubertierender spielen. Gar nicht so einfach, auf die zuzugehen. Auf jeden Fall würde sie den roten Ohrring ins Spiel bringen. Sie schaffte nicht einmal die halbe Pizza. „Die beiden werden sich auf die Reste stürzen, wenn sie von dem Nachmittagsunterricht nach Hause kommen.“ Sie schrieb noch eine kurze Notiz und verschwand. Sie fuhr auf die Autobahn, obwohl Offenburg nur 12 Kilometer entfernt war. Von dort konnte man am leichtesten zum Platz der Verfassungsfreunde gelangen, an dem sich das Staatliche Seminar für Schulpraxis befand. In den alten ehemaligen Kasernengebäuden befanden sich seit einiger Zeit Bibliothek, Kulturzentrum, Musikschule und eben das Seminar. Das einzige, was nicht ausreichend zur Verfügung stand, waren Parkplätze. Sie musste ganz um den großen Komplex mit Veranstaltungshalle herum fahren und fand endlich gegenüber der Tankstelle einen freien Parkplatz. Sie hetzte vorbei an der 20 Meter hohen Figur des Künstlers Jonathan Borofsy, die die berühmte Aenne Burda einst gestiftet hatte. Sie kam sich ganz klein vor unter den mächtigen Metallröhren, die die Silhouette eines laufenden Mannes und einer Frau in verschiedene Richtungen darstellte. In welche Richtung sollte sie weitergehen. Alles auf sich beruhen lassen, der Polizei vertrauen. Nein, sie war hier und sie würde ihrem Instinkt folgen. Das Thema der Veranstaltung war interessant, es war aber davon auszugehen, dass keine neuen Erkenntnisse für sie rauskommen würden. Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern, Umgang mit Konflikten im Unterricht. Für sie wäre ein anderes Thema interessanter gewesen, nämlich: Umgang mit verhaltensauffälligen Eltern. Sie hatte sich hauptsächlich dafür angemeldet, da an diesem Nachmittag eine dieser nervtötenden Konferenzen angestanden hatte. Lieber über verhaltensauffällige Schüler sprechen, als wieder an irgendeinem Evaluationsbogen zu arbeiten. Das Wort „Evaluation“ war schon für sie zu einem roten Tuch geworden. Lieber ein Thema zu Tode diskutieren und zehn Befragungen dazu durchführen, als endlich mal etwas zu dem Thema zu bewegen. Evaluation war das neue pädagogische Streichelkind des Kultusministeriums. Endlich konnte schwarz auf weiß bewiesen werden, dass Schulen sich um Verbesserungen bemühen. Aktionismus war angesagt. Sie nannte es „Warme Luft ausstoßen“. Sie hatte bereits ihr Erlebnis mit Evaluation, das sie bei einer Buchinterpretation als „Tragische Ironie“ bezeichnen würde. Der Sachverhalt ist so tragisch, weil die Beteiligten nicht merken, wie unsinnig das ist, was sie gerade tun. Daraus ergibt sich die Ironie. Das Kollegium hatte auf seiner verzweifelten Suche nach
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