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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Ute.
    »Mögen Sie Asiatisch?«, fragte Klaus.
    »Sie meinen die Brötchen?«, fragte Frau Ella. »Die waren hervorragend.«
    »Nein, er meint richtiges Essen, Asiatisch, mit Kokos und Curry und so«, schaltete Sascha sich ein.
    »Und das gibt es auch bei Ihrem Brötchenverkäufer?«
    »Nebenan. Brötchen gibt’s beim Chinesen, Essen beim Asia-Man, sind aber alles Vietnamesen. Schmeckt alles ganz gut, wenn Sie Glutamat mögen, das ist so ein Geschmacksverstärker. Ich glaube, das ist auch in Maggi drin, oder?«
    »Im guten alten Maggi?«, brüllte Klaus. »Das war ja wohl der Hammer!«
    »Wieso wäre denn das der Hammer?«, fragte Sascha und bemühte sich, ruhig zu bleiben.
    »Weil Maggi verdammt noch mal der Hermann unter den Würzmitteln ist. Das ist so was von deutsch und rein, nur bestes Gemüse aus Süddeutschland, geerntet und gekocht von deutschen Jungfern, das ist so deutsch, dass es schon fast braun sein muss. Erzähl das mal den Glatzen, dass ihre Muttis jeden Mittag einen auf Asia-Snack machen!«
    »Ja, aber die essen doch auch Currywurst«, meldete sich Ute, die schon in der Tür stand und auf Klaus wartete.
    »Ach, vergiss mal die Currywurst. Alter, ist das ’ne fette Story, oder was? Das ist also gar kein Zufall, dass jetzt plötzlich alle Asiatisch essen, sondern die Rückkehr zu unseren Maggi-Wurzeln, so ’ne Art Regression, wie dieser Typ bei Alain Proust mit seinem Pfannekuchen, der ihn immer an seine Kindheit erinnert.«
    »Eine Madeleine war das bei Marcel Proust«, sagte Sascha. »Außerdem kommt Maggi aus der Schweiz, und du wolltest herausfinden, was wir essen möchten.«
    »Alter, bist du heute wieder als Lexikon verkleidet, oder was? Ist ja auch egal. Krasse Nummer jedenfalls. Also Frau Ella, wollen Sie Ihr Glutamat denn eher mit Reis oder Reisnudeln oder Eiernudeln, mit Kokossuppe oder ohne, mit Fleisch oder ohne, mit Gemüse oder ohne?«
    »Oder die Sommerrollen«, sagte Ute.
    »Nee, die stinken«, sagte Klaus.
    »Die stinken voll nicht.«
    »Salmonellenstängel sind das. Viel zu gefährlich.«
    »Was nehmen denn Sie?«, wandte Frau Ella sich an Sascha.
    »Huhn in Erdnusssoße, das ist eigentlich Indonesisch.«
    »Ist ja auch in Asien und schmeckt klasse«, sagte Ute.
    »Die Atombombe im Arsenal der Glutamier«, sagte Klaus. »Da müssen Sie gleich zwei Bier extra dazu bestellen.«
    »Wieso denn zwei Bier?«
    »Na, weil man davon so was von einen Durst kriegt.«
    »Aha«, sagte Frau Ella. »Von diesem Glutamaggi?«
    »Das müssen wir noch recherchieren, das mit dem
    Maggi, aber klar, von dem Glutamat. Sie können natürlich auch Wasser nehmen.«
    »Ich komm mit runter und überleg noch mal«, sagte Ute.
    »Und nicht streiten, wenn wir weg sind«, rief Klaus aus der Diele. Dann fiel die Tür ins Schloss, und Sascha hatte das Gefühl, von einer gigantischen Welle erfasst, herumgewirbelt und über ein Korallenriff geschleift, endlich wieder aufzutauchen, den Himmel zu sehen, das Kreischen der Möwen zu hören, die wärmenden Strahlen der Sonne zu spüren. Er griff nach seinem Glas, nahm einen tiefen Schluck und konnte kaum fassen, wie gut dieser Wein schmeckte, dieser zarte Nektar des Glückes.
    »Reizend, Ihre Freunde«, sagte Frau Ella. »Ganz reizend.«
    Das konnte nicht wahr sein. Er stellte das Glas ab und sah ihr ins Auge. Wollte auch sie ihm jetzt blöd kommen, sich darüber lustig machen, dass einfach alles in die Hose ging, ihm gar nichts gelingen wollte, sogar seine Freunde ihm das Leben zur Hölle machten? Reichte es nicht, dass er ihr das Leben gerettet hatte und sie hier sitzen durfte? Er stellte sich doch schon ganz in den Dienst des würdigen Alters. Und sie amüsierte sich auf seine Kosten. Er sah ganz genau hin. Wenn Frau Ella spöttisch guckte, dann nur mit dem verbundenen Auge.
    »Ich deck dann mal den Tisch«, seufzte er und raffte sich auf.

5

    NATÜRLICH HATTE FRAU ELLA SCHON von der asiatischen Küche gehört. Wie hätte sie die auch übersehen können, die ganzen Artikel und Rezepte in den Zeitschriften, die Fertiggerichte im Laden. Nur hatte sie bislang nicht verstanden, welchen Grund es dafür geben sollte, sich plötzlich wie die Menschen in Asien zu ernähren. Das waren doch ganz fremde Zutaten, die man vielleicht überhaupt nicht vertrug. Außerdem beherrschte man doch die Gerichte am besten, die man am längsten kannte. Ihren Krustenbraten hatte sie noch vor dem Krieg auf der Haushälterinnenschule gelernt, das Rezept für den Rotkohl stammte von ihrer Mutter.

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