Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
Vom Netzwerk:
ihn verknallte! Er machte die Flasche auf und füllte die Gläser. Ein bisschen blieb sogar übrig.
    »Prost!«, sagte er.
    »Auf eure WG!«, sagte Ute.
    »Auf die verdammte Piraten-WG!«, brüllte Klaus. Frau Ella nippte unschuldig an ihrem Glas.
    »Auf die was?«
    »Na, auf eure Hammer-WG, euren Mut, neue Wege zu gehen, wie damals die von der Kommune I, nur ohne Sex. Neue Lebensformen ausprobieren, die Gesellschaft im Privaten verändern, subversiv sein, die ganze verdammte geile Progress-Kacke, Alter. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, und es gibt auch kein richtiges Sterben im falschen, was nicht heißen soll, dass irgendwer sterben soll, nur gehört das halt alles voll und ganz zusammen, das ist eine große Nummer, und ihr beiden seid verdammt noch mal die Early Adaptors der generationenlosen Gesellschaft. Kommune 99! Yin und Yang, alt und jung, das gibt’s einfach nicht mehr. Die Diktatur der Zeit hat den Zenit ihrer Macht überschritten, das ist die Keimzelle des Widerstands. Das Leben ist nicht linear. Alle sind Menschen, alles tutti! Wie geil ist das denn!«
    »Was ist denn mit dir los?«
    »Nix ist los. Ich find’s nur extrem lässig, dass du einfach so, am ersten schönen Abend im Biergarten, beschließt, dass mal was passieren muss in deinem Leben, und eine Woche später bist du auf dem besten Weg, die Gesellschaft umzukrempeln, dieses ganze Mediengelaber von wegen Generationenkonflikt und so einfach mal konsequent zu hinterfragen und zu widerlegen. Einfach geil. Scheiß auf diese Werbekacke, scheiß auf die ganzen Buchstaben. Nicht reden, machen. Respekt, meine Schwestern gehören dir!«
    »Echt toll, Sascha!«, sagte Ute.
    Frau Ella guckte selbst so verwirrt, als kapierte sie noch viel weniger, was hier los war. Die beiden waren ja vollkommen drauf, worauf auch immer.
    »Pass mal auf, Klaus«, setzte er an. »Frau Ella ist nur deswegen hier, weil dieser Pfleger zu blöd ist, ihre Sachen vorbeizubringen. Frau Ella findet das hier alles ziemlich dreckig, sie mag meinen Kaffee nicht und würde genauso gerne wie ich so schnell wie möglich zurück in ihr normales Leben. Wir haben zufälligerweise beide ein kleines Problem mit unseren Augen, wir sind uns zufälligerweise begegnet, und ich habe ihr zufälligerweise einen Gefallen getan. Kapiert?«
    Jetzt schwiegen sie alle und sahen ihn fast erschrocken an, als hätte er ihr Spielzeug kaputtgemacht.
    »Also, so schlecht war Ihr Kaffee nicht«, sagte Frau Ella. »Nur ungewohnt, mit so viel Milch. Und das bisschen Staub.«
    »Und die Teller?«
    »Sind längst sauber.«
    »Und meine Art, Eier zu kochen? Haben Sie nicht nur darauf gewartet, dass das schiefgeht?«
    »Die Eier waren exzellent. Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    »Und die Art und Weise, wie ich mein Brötchen esse?«
    »Ach, mein Junge, hören Sie doch auf. Sie sind ja richtiggehend nachtragend. Sie wissen doch, wie dankbar ich Ihnen bin.«
    »’tschuldige«, meldete sich Ute, »Was macht ihr denn, wenn dieser Pfleger nicht mehr kommt?«
    »Der wird schon noch kommen«, sagte er.
    »Wenn die Hoffnung stirbt, gibt’s keinen mehr, der trauern könnte«, sagte Klaus überraschend leise, stand auf und setzte sich neben ihn auf die Sessellehne. »Alter, nimm mal ’ne Kippe, lehn dich zurück und mach dich locker. Du hast einfach noch nicht kapiert, was für ’ne tipptopp Nummer du gerade abziehst. Komm, lass mir die Illusion, dass ich einen Helden kenne.«
    Sascha fingerte eine Zigarette aus der Packung, ließ sich Feuer geben und hustete. Der Schmerz tat gut, und plötzlich war ihm sein Auftritt peinlich, seine ganze Kleingeistigkeit. Es war schließlich nicht Lina, die wieder einziehen wollte, um ihm das Leben als Gegenleistung für ihr schönes Lächeln zur Hölle zu machen, sondern eine alte hilfsbedürftige Frau, die vielleicht für eine Nacht ein Dach über dem Kopf brauchte. Er war genauso bescheuert wie Klaus, nur andersrum, vollkommen unfähig, die Dinge so zu sehen, wie sie waren, ohne ihnen irgendeinen größeren Sinn überzuziehen, um das Gefühl zu haben, etwas Besonderes zu erleben.
    »Wenn er nicht kommt, dann können Sie natürlich hier schlafen. Schließlich hab ich Ihnen das eingebrockt.«
    »Mein Junge, Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Na also«, sagte Klaus. »Nichts, was sich unter Piraten nicht mit einer Kippe klären ließe. Und jetzt hab ich Kohldampf. Irgendwer Lust auf ’ne Glutamatbombe vom Shogun?«
    »Ich nehme eine Kokossuppe mit Tofu«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher