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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Oberlehrer. Da hatte er Besuch von seinen Freunden, die sich, warum auch immer, köstlich amüsierten, und er wurde immer ernster, als sei das ein Verbrechen, Spaß zu haben. Sie wurde nicht schlau aus diesem jungen Mann, aber das sollte nicht so bleiben. Sie mochte ihn, und sie würde schon dahinterkommen, was mit ihm los war. Da merkte auch sie, wie es in ihr nicht nur blubberte, sondern auch zuckte, wie ein Lachen in ihr seinen Weg nach oben fand, das sie unterdrücken musste. Wie konnte sie sich über ihren Retter lustig machen? Es war längst zu spät, auch wenn das Lachen vor sich her aus ihrem Bauch noch eine ganze Blase Luft nach oben trieb. So laut, da war sie sicher, hatte sie noch nie gerülpst, und ihre Wangen brannten, so sehr schämte sie sich und musste zugleich lachen, dass ihr der Bauch weh tat. So verwirrt war sie und zugleich so glücklich.
    »Und zwar aus allen Rohren«, schrie der Dicke, und erst jetzt, als es wieder in ihr blubberte, ahnte Frau Ella, dass ihr Darm wieder einmal bestimmte, wo es in ihrem Leben langging.
    »Nichts für ungut, Frau Ella«, quietschte Klaus, der immer röter anlief. »Sie sind verdammt noch mal die allergrößte Nummer, die mir je begegnet ist, da kann dieser Typ hier noch so streng gucken!«
    Da stand Sascha auf und stürmte aus der Küche, und sie konnte nicht anders, als weiter zu lachen, so sehr, dass ihr Tränen über die Wange liefen. Erst als Sascha plötzlich wieder in der Tür stand, kamen sie langsam zur Ruhe.
    »Macht Ihnen das eigentlich Spaß, sich auslachen zu lassen?«, fragte er in ihre Richtung. Kühl, fast bösartig wirkte er. »Wollen Sie den Clown spielen für diesen Idioten, der nichts Besseres zu tun hat, als sich über alte Leute lustig zu machen? Ich meine, bitte sehr, nur zu, wir könnten auch Eintritt nehmen. Begegnungen mit der Vergänglichkeit, Essen mit der lustigen Alten. Zwei körperliche Fehlfunktionen pro Abend garantiert. Dann sagen Sie das bitte, damit ich mir verdammt noch mal nicht die ganze Zeit Mühe geben muss, Sie mit Respekt zu behandeln.«
    »Mannomannomannomannomann«, hörte sie Klaus neben sich murmeln.
    »Könnten Sie das Geld denn gebrauchen?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Das Geld, den Eintritt, haben Sie Geldsorgen?«
    »Warum sollte ich denn Geldsorgen haben? Warum sollte ich überhaupt Sorgen haben? Was wollen Sie überhaupt?«
    »Also wirklich glücklich wirken Sie nicht, mein Junge.«
    »Mein Junge«, zischte er. »Ich frage mich, wer hier Sorgen hat.«
    »Wollen Sie sich nicht einfach wieder zu uns setzen?«
    Das ging doch nicht, dass er immer alles falsch verstand und so schrecklich litt an allem.
    »Kommen Sie, bitte. Ich werde versuchen, mich zu benehmen.«
    »Ach, darum geht es ja gar nicht«, sagte er leise.
    »Und worum geht es?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht darum, dass Sie doch eine Dame sind und sich von diesem Typen auslachen lassen und auch noch mitmachen. Ich finde das nicht normal.«
    Sicherlich hatte er recht. Sie hatte sich gehenlassen, weil sie es so genoss, unter Menschen zu sein, unter fröhlichen Menschen, die anscheinend Gefallen an ihr fanden.
    »Kommen Sie, ich verstehe, dass es nicht leicht ist, mit so einer wie mir zurechtzukommen.«
    »Wo soll das nur enden?«, seufzte er und setzte sich. »Wo soll das nur enden, Frau Ella?«
    »Na, irgendwann auf dem Kirchhof. Bis dahin könnten wir aber noch ein bisschen Spaß haben, oder?«
    Erst jetzt, nachdem sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass vielleicht genau das sein Problem war. Dass ihm irgendetwas fehlte, er sich nicht einfach freuen konnte. Wie er so dasaß, schlaksig, mit seinem ungebügelten Hemd und den zerzausten Haaren und der viel zu großen Brille, wirkte er wie ein trauriges Kind. Sie musste sich eingestehen, dass ihm dieser Blick bestens stand, dieses traurige braune Auge. Sie musste versuchen, ihn besser zu verstehen. War es denn wirklich so schwer, sie zu ertragen?
    Die fröhliche Stimmung war jedenfalls dahin. Schweigend saßen sie um den Tisch, auf dem die Reste ihres Essens in den Aluminiumschalen klebten. Was vorhin noch so gut geschmeckt hatte, wirkte jetzt schäbig, schmutzig und billig. Wieder hatte sich alles verändert, innerhalb kürzester Zeit. Völlig fremde Menschen waren das. Warum hatte er sie nicht einfach im Krankenhaus gelassen, wenn es ihm so schwerfiel, sie zu ertragen? Warum holte er sie in seine Wohnung? Er war ihr doch nichts schuldig. Sie hatte ihn um nichts gebeten, und sie war auch so gut

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