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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Nebenfluss der Isar.«
    »Ein Nebennebenfluss.«
    Da sah sie endlich auf und lächelte ihn an. Heute wirkte sie noch kleiner, noch verschrumpelter, als hätte sie die Nacht im Trockner verbracht.
    »Guten Morgen«, sagte sie.
    »Guten Morgen Frau Ella.«
    »Setzen Sie sich, dann brühe ich uns einen frischen Kaffee auf, wenn man das so noch sagen kann, bei dieser Maschine.«
    »Das ist wirklich nicht nötig«, sagte er.
    »Herr Li ist übrigens wirklich sehr zuvorkommend«, fuhr sie fort, als hätte sie seine Bemerkung nicht gehört. »Zum Glück konnte ich anschreiben lassen, bis wir meine Sachen geholt haben.«
    »Herr Li?«
    »Na Ihr Brötchen-Asiate mit den Zahnbürsten und was der sonst noch alles hat. Ich dachte ja, solche Geschäfte gibt es heute gar nicht mehr, wo sogar der Supermarkt ständig einen neuen Namen hat. Was es im Laden nicht gibt, brauch ich auch nicht, hat Stanislaw immer gesagt. Wer einen Laden hat, meinte er, der wird schon wissen, was wichtig ist. Kennen Sie übrigens die Kinder von Herrn Li? Die Kleine ist krank, er wusste aber nicht, wie die Krankheit auf Deutsch heißt. Er ist ja seit über zwanzig Jahren hier, aber die Sprache, sagt er, ist schon sehr schwierig, und das glaube ich ihm. Ich habe ja immer gedacht, die wollen nicht Deutsch lernen, aber dass das so schwierig ist, das hätte ich nicht gedacht. Und dazu so nett, der Herr Li. Wir müssen unbedingt meine Sachen holen, damit ich meine Schulden begleichen kann. Außerdem hatte er keine Kieselerde, aber woher soll er auch wissen, was das ist.«
    »Meine Güte, Frau Ella, wo nehmen Sie so früh am Morgen diese Energie her?«, fragte Sascha verwirrt und setzte sich ihr gegenüber, woraufhin sie gleich aufsprang und an den Herd eilte.
    »Ach wissen Sie, die Menschen, die morgens lange schlafen, haben mir schon immer leidgetan. Damals, zu Hause auf dem Hof, mussten wir ja immer früh raus. Noch vor der Schule war da so viel zu tun.«
    »Seit wann sind Sie denn auf?«
    »Na seit sechs, wie immer.«
    Irgendetwas hatte sich in der Küche verändert. Da, gleich neben der Spüle, wo die Dielen das Sonnenlicht reflektierten, waren doch eigentlich mit Staub verklebte Bierlachen, auf denen die leeren Flaschen standen. Der Raum wirkte plötzlich so hoch, vielleicht weil sie so klein war. Pfannen und Töpfe in dem Gitterregal waren zu stabilen Türmen gestapelt, das Poster türmte sich nicht mehr zu Wellen wie ein stürmisches Meer, sondern lag flach an der Wand. Alles war irgendwie heller.
    »Sie haben nicht wirklich schon die Küche geputzt?«, fragte er.
    »Ach, nur ein wenig, um in den Tag zu kommen.«
    Sascha lehnte sich zurück und betrachtete Frau Ella, wie sie da in seinen Joggingklamotten stand und konzentriert versuchte, die Kaffeemaschine aufzudrehen. Wie konnte er ihr das übelnehmen?
    »Müssen Sie denn eigentlich nicht zur Arbeit? Oder sind Sie noch krankgeschrieben?«
    »Eigentlich weder das eine noch das andere.«
    Sie drehte sich um, Ober- und Unterteil der Kanne in der rechten und linken Hand, und sah ihn skeptisch an.
    »Das scheint ja eine interessante Arbeitsstelle zu sein.«
    »Wie man’s nimmt. Ist schon in Ordnung.«
    »Was machen Sie denn da, wenn Sie hinmüssen?«
    »Interessiert Sie das wirklich?«
    »Ja, natürlich. Warum denn nicht?«
    Sie wandte sich wieder dem Herd zu, stellte die Kannenteile ab und griff nach der Kaffeedose, die sie anscheinend auch poliert hatte, so silbern, wie die glänzte. Jetzt war er gespannt. Neun von zehn Malen, die er Kaffeepulver in den Einsatz füllte, ging mindestens eine Prise daneben, immer gerade so viel, dass er es nicht ignorieren konnte und den Schwamm nehmen musste. Natürlich ging bei ihr nichts daneben.
    »Ich finde heraus, was die Menschen wirklich wollen«, sagte er schließlich.
    »Aha«, sagte Frau Ella und stellte die Kanne auf den Herd. »Und wie darf ich mir das vorstellen?«
    »Na ja, die Firma sucht Menschen, die bereit sind, mit mir über sich zu reden, mir zu zeigen, wie sie leben, mir zu sagen, wovon sie träumen und so weiter. Dann treffe ich diese Menschen, zu Hause oder an einem neutralen Ort, und finde heraus, was sie wirklich wollen.«
    »Ja, aber was denn? Was sollen sie denn wollen?«
    »Na einkaufen. Waschmittel, Schokoriegel, Zigaretten, Bier, Müsli, Damenbinden. Alles Mögliche.«
    »Sie fragen diese Menschen, welche Damenbinden sie kaufen wollen?«
    »Ist schon vorgekommen. Sie müssen wissen, ich mache das eigentlich nur zum Geldverdienen, als

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