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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Hecken säumten, als hätten sie eines dieser geheimen Tore passiert, die in eine andere Wirklichkeit führten.
    »Das gibt es ja nicht!«, rief Frau Ella. »Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Sind Sie sich denn auch sicher?«, fragte Klaus.
    »Aber natürlich, mein Junge! Man vergisst doch seinen Heimweg nicht.«
    Sie drehte sich um, ein verwirrtes wie verklärtes Lächeln um die Lippen.
    »Sechzig Jahre! Sechzig Jahre!«
    »Unglaublich«, sagte er, massierte seinen schmerzenden Nacken und versuchte, fröhlich zu gucken.
    Sie fuhren auf einen mit weißem Kies bedeckten Hof, an den von zwei Seiten Gebäude anschlossen. Eine Scheune und ein niedriges Wohnhaus. Alles genauso perfekt renoviert, wie das Dorf heruntergekommen war. In der Mitte des Hofes ein Springbrunnen. Eine Fontäne aus weißem Stein, umgeben von wild blühenden Pflanzen in den unglaublichsten Farben. Klaus brachte den Motor mit einem Knopfdruck zum Schweigen. Nur noch das Plätschern des Wassers war zu hören. Also doch eine andere Wirklichkeit.
    »Ja, was ist denn hier passiert?«, fragte Frau Ella.
    »Sieht aus, als hätten Sie doch nicht auf die Haushaltsschule gemusst«, sagte Klaus. »Arme Leute wohnen anders.«
    Der Hund, der plötzlich seine Pfoten auf die Motorhaube legte, war die den Gebäuden angemessene Version des räudigen Köters im Dorf. Verglichen mit seinem schwarz glänzenden Fell wirkte die Lackierung des Cabrios regelrecht matt. Sascha konnte sich nicht wirklich darüber freuen, dass jetzt selbst Klaus seine Selbstsicherheit verloren hatte. Dessen Fingergelenke hoben sich kalkweiß vom Braun des ledernen Lenkrads ab.
    »Wenden und weg«, flüsterte er ihm von hinten ins Ohr.
    »Ach was«, sagte Frau Ella, die jetzt wieder ganz gut zu hören schien. »Das ist doch nur ein Hund.«
    Er wollte sie noch festhalten, aber sie hatte längst die Beifahrertür aufgestoßen und schwang ihre Beine auf den Kies. Wie sollte er das im Krankenhaus erklären? Halbblinde senile Frau entführt und von Hund zerfleischt. Die neuen Hobbys alleinstehender junger Männer in der Großstadt. Frau Ella bückte sich. Der Kampfhund riss die Pfoten vom Auto und zog sich in wilden Sprüngen weit hinter den Springbrunnen zurück.
    »So ein Angeber«, lachte sie. »Zumindest die Hunde sind noch wie früher.«
    Klaus drehte sich um, sah ihn kreidebleich an, als hätte er eine Antwort auf all seine Fragen.
    »Stadtmenschen. Verdammt, wir sind so was von neurotische Stadtmenschen. Wahnsinn. Die Alte ist der Hammer.«
    »Ach komm, Klaus, ist doch nur ein Hund«, sagte er, klopfte ihm auf die Schulter und sprang auf den Sitz und aus dem Wagen. Wer hatte hier denn Angst vor einem Hund?
    »Zigarette?«, fragte Klaus, der sich schließlich auch aus seinem Sitz schälte.
    »Gerne«, sagte Frau Ella. »Das ist ja doch ein bisschen aufregend, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Absolut«, sagte Klaus und gab ihnen Feuer.
    Dann standen sie in der Sonne und rauchten, beobachtet vom klavierlackschwarz glänzenden Wachhund, der dem Frieden noch nicht ganz traute. Seltsame Menschen waren das, die sich einen Hund hielten, der nur Fassade war. Eher für den Laufsteg als für die Arbeit geschaffen. Und dazu diese Fontäne, die strahlend weiß gestrichene Haustür, diese saubere Geradlinigkeit, wohin man auch blickte.
    »Ich guck mal hinters Haus«, sagte Sascha und machte sich, die erst halb gerauchte Zigarette im Mundwinkel, auf den Weg.
    »Kommen Sie, wir schauen mal in die Scheune«, hörte er Frau Ella zu Klaus sagen. Dann war Sascha im Schatten des Hauses, sah kurz darauf hinter dem Gebäude auf ein endloses Grün, das nicht ein einziges Gänseblümchen störte. Mitten auf dem Rasen stand ein silberner Liegestuhl, darauf lag ein Mann, der sich eine glänzende Krause um den Hals hielt, die die Sonne in Richtung seines Gesichtes reflektierte.
    »Entschuldigung!«, rief Sascha, aber der Mann zeigte keinerlei Reaktion. Weiter links schlossen an den peinlich gepflegten Rasen einige Beete an, teils mit Holzkonstruktionen, an denen die Pflanzen hochrankten, dann ein kleiner Weinberg und einige Rosenstöcke, alles in allerbester Ordnung.
    »Entschuldigen Sie«, versuchte er es noch einmal, und jetzt hob der Mann den linken Arm, beschwichtigend, als forderte er ihn auf, sich noch etwas zu gedulden. Also inspizierte Sascha die Beete aus der Nähe, fand lauter kleine in Plastik eingeschweißte Schildchen mit lateinischen Namen, die ihm nichts sagten. Von der anderen Seite des Hauses

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