Frau Ella
war plötzlich eine rostige Wasserpumpe zu hören. Oder ein Esel. Womöglich hatten Klaus und Frau Ella ja einen Zoo entdeckt. Er sah noch mal nach dem Mann im Liegestuhl, der sich endlich bewegte, die Arme links und rechts des Liegestuhls nach oben stieß, um sie gleich darauf einen Kreis beschreibend zu Boden sinken zu lassen, wobei er laut seufzend ausatmete. Das Ganze wiederholte sich noch einige Male, dann sprang er auf. Die Halskrause fiel glitzernd zu Boden.
»Mon dieu, wer stört denn da Michelle bei ihrer Siesta?«, rief er lachend und kam zügig in Richtung der Rosenstöcke.
»Michelle?«
»Na unsere Eselfrau«, sagte der Mann, den er jetzt aus der Nähe auf vielleicht vierzig schätzte mit seinem gänzlich unbehaarten, durchtrainierten Körper und seinem glattrasierten Schädel.
»Oh«, sagte Sascha. »Das sind Frau Ella und Klaus, meine Begleitung. Wir sind zu dritt. Das heißt, wir sind ihre Begleitung. Frau Ella ist hier aufgewachsen, auf diesem Hof, vor dem Krieg, sie ist jetzt fast neunzig. Vielleicht könnten Sie sich ein Hemd anziehen, bevor sie Sie sieht?«
»0, là, là, so viele Information in so kurzer Zeit! Aber vielleicht haben Sie recht, mein kleiner Pirat. Ich bin übrigens Buvardo«, sagte der Mann und reichte ihm die Hand.
»Sascha. Sascha Hanke.«
»Dann warten Sie mal eine kleine Minute. Ich hole schnell meinen Kimono. Geben Sie mir doch den Rest von Ihrer Zigarette.«
Der Mann verschwand mit der Kippe durch die Terrassentür, so dass Sascha sich weiter umschauen konnte. Hinter dem kleinen Weinberg entdeckte er einen Gartenteich, groß wie ein Fußballplatz, auf dem Enten und Schwäne müde in der Hitze umherpaddelten. Vielleicht war das hier ja eine Art Arche Noah, nur eben auf dem Festland. Jedenfalls investierte jemand eine Menge Zeit und Geld, um so viele Tiere und Pflanzen wie möglich um sich herum zu haben. Und all das in dieser unwahrscheinlichen Ruhe, die durch das gelegentliche Flattern einer startenden oder landenden Ente oder das Brummen eines Sportflugzeugs in weiter Ferne nur noch deutlicher wurde.
Hinter dem Haus hörte er Frau Ella laut lachen. Klaus rief etwas, das er nicht verstand. Sie schienen näher zu kommen, um die Gebäude herum, von der anderen Seite.
»Genau wie damals!«, rief sie jetzt schon ganz nah. Dann tauchte Klaus an der Hausecke auf, in seiner Hand eine Kordel, an der er einen Esel hinter sich herzog, auf dem Frau Ella im Damensitz thronte. Das konnte doch nicht wahr sein! So konnte man sich bei fremden Leuten doch nicht aufführen. Und er sorgte sich darum, dass dieser Typ sich etwas anzog!
»Und jetzt gucken Sie sich das Gesicht von dem an!«, schrie Klaus. »Als wären Sie die achte Reiterin der Apokalypse, die Königin der Amazonen!«
Die beiden schritten weiter auf ihn zu, kamen schließlich zum Stehen und grinsten ihn an, als wäre er hier derjenige, der sich danebenbenahm.
»Haben Sie denn schon einen Anwohner finden können?«, fragte Frau Ella vom Esel herab. Sie war unglaublich. Ein kleines Mädchen hätte nicht unschuldiger fragen können. Eine Prinzessin.
»Ja, klar, Buvardo oder so ähnlich. Er ist nur kurz ins Haus. Vielleicht steigen Sie besser mal ab. Ich glaube, Michelle ist ihm ziemlich wichtig.«
»Michelle?«
»Der Esel, auf dem Sie sitzen. Die Eselin.«
»Aha«, sagte sie.
»Kommen Sie, Donna Ella«, sagte Klaus und hob sie mehr vom Esel, als dass er ihr beim Absteigen half.
»Entschuldigen Sie, Sascha, aber ich konnte nicht widerstehen. Das ist ja alles so lange her!«
»Kein Problem«, sagte er und spürte glücklich ein Zucken in seinen Wangen. Schließlich war sie ihm keine Rechenschaft schuldig. »Steht Ihnen ganz gut, so ein Esel.«
»Ich frage mich nur, wozu der überhaupt noch gebraucht wird.«
»Zur Dekoration wahrscheinlich«, meinte Klaus. »Irgendwie muss man die Gebäude ja füllen.«
Da standen sie zu dritt um einen Esel herum und gaben Dinge von sich, als hätten sie einen Sonnenstich. Das war dann doch ein bisschen zu viel des Guten. Es war höchste Zeit, dass der Hausherr wieder auftauchte.
»Ah, da ist ja Michelle, und das müssen Ihre Freunde sein«, rief er gutgelaunt von der Terrassentür her und kam auf sie zu. »Hallo, guten Tag Madame, ich bin Buvardo. Schön, dass Sie sich zu uns verirrt haben! Man ist ja doch recht einsam hier draußen.«
»Ja, früher war mehr los, aber da wurde auch noch gearbeitet«, sagte Frau Ella.
»Früher, natürlich! Das sagt mein Mann auch immer, dass so
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