Frau Ella
ein Hof ein Arbeitsplatz ist und kein Vergnügungspark, aber er hat es doch ganz schön hinbekommen, finden Sie nicht?«
»Doch, doch«, sagte Klaus. »Echt beeindruckend. Ein richtiger Landsitz.«
»Kommen Sie«, rief Buvardo in einem silbern in der Sonne schimmernden Kimono mit japanischen Schriftzeichen, nachdem sie ein paar weitere Höflichkeiten ausgetauscht und ihm in groben Zügen erklärt hatten, was sie auf seinem Hof wollten. »Ich zeige Ihnen mal, was wir aus Ihrem Arbeitshof gemacht haben. Ich bin ja begeistert, endlich eine Ureinwohnerin kennenzulernen!«
Die angekündigte Führung hatte es in sich. Zusammen mit diesem Kurt, der wohl sein Freund war, hatte Buvardo auf dem Hof in den letzten Jahren so ungefähr alles ausprobiert, was man machen konnte, wenn man kein Geld verdienen musste und die Nähe zur Natur suchte. Sie hatten das Überleben bedrohter einheimischer Hühner- und Schweinerassen gesichert, vergessene Rosen gekreuzt, einen der nördlichsten Weine Europas gekeltert und das Wachsen der Daunen beobachtet, die ihnen im Winter Wärme spendeten. Zwischenzeitlich standen sie mit ihrem Traktor sogar auf den biologischen Wochenmärkten, um ihren Honig, ihre Marmeladen, ihre Wurst und tausend andere Dinge zu verkaufen. Und egal, was er auch erzählte, Frau Ella wusste genau, worum es ging. Sie lieferten sich regelrechte Duelle darum, ob es nun sein Kurt oder ihr Vater war, der mehr von alldem verstand. Ein Stellvertreterkrieg war das. Ein Glaubenskrieg.
Sascha lauschte der Diskussion dieser und jener Bauernweisheit, und viel schien sich in der Landwirtschaft in den letzten sechzig Jahren nicht getan zu haben. Er hatte langsam genug von diesem Ausflug, doch das Geplapper nahm kein Ende, selbst hier oben, in der knallenden Sonne auf dem Gipfel des Weinbergs, da Buvardo beschwichtigend meinte, dass er und sein Kurt selbst mittlerweile gar nicht mehr Hand anlegten, sondern Arbeiten und Einnahmen einem Gutsverwalter überließen, der ein paar Kilometer weiter wohnte. Eigentlich ein Schriftsteller, der sich so sein Leben finanziere und ganz tolle Bücher schreibe, die nur niemand verstehe, und überhaupt ein ganz toller Typ, ganz spannend und interessant.
»Kurt wollte dann doch wieder arbeiten, und ich bin ja ohnehin eher der künstlerische Typ«, erzählte Buvardo.
»Für meinen Vater war das Arbeit genug«, sagte Frau Ella. »Und für mich übrigens auch.«
»Ja, damals. Aber Kurt, er muss ja auch immer seine Häuser bauen.«
»Das können Sie sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, Sie und Ihr Kurt«, sagte Frau Ella in Gedanken und ließ den Blick über die Umgebung schweifen, wie Napoleon vom Feldherrrenhügel. »Jeden Morgen musste ich raus in den Stall zu den Kühen. Ein Vergnügen war das nicht gerade, aber eine Aufgabe, die erledigt werden musste. Wir haben das schließlich nicht zum Vergnügen gemacht. Von etwas musste man ja leben. Heute scheint das Geld ja von selbst zu kommen, ohne dass man allzu viel dafür tun müsste. Für mich wäre das nichts, jeden Morgen überlegen zu müssen, warum ich überhaupt aufstehe, aber wer weiß, vielleicht gewöhne ich mich noch an dieses Ausschlafen. Viel ist ja nicht mehr zu tun.«
»Sie sollten es mal mit Kunst versuchen«, sagte Buvardo. »Der Müßiggang war schon immer der beste Boden für kulturelle Höchstleistungen.«
»Ich und Kunst? Das überlasse ich gerne anderen. Das führt doch zu nichts.«
Das war eine ganz neue Seite an Frau Ella, die sie hier zeigte. Selbstgerecht wirkte sie, die doch seit Jahrzehnten nichts getan hatte, als ihrem Mann den Haushalt zu machen und Kreuzworträtsel zu lösen. Als müsste sie nur ihre Scholle betreten, und schon wurden alle bäuerlichen Instinkte geweckt, die jahrzehntelang in ihr geschlummert hatten. Oder aber sie suchte ein weiteres kleines Gefecht, um sich mit Buvardo zu messen. Ein seltsames Duell war das. Vollkommen sinnlos. Es war höchste Zeit aufzubrechen.
»Und was machen Sie so für Kunst?«, fragte Klaus.
»Klavier, Aquarell, Keramik. Zurzeit vor allem Keramik. Ich muss Ihnen unbedingt noch meine Werkstatt im Keller und das Atelier unterm Dach zeigen. Aber jetzt müssen Sie mir erst einmal sagen, was Sie mit Ihren Augen gemacht haben!«
Dieser Buvardo hörte tatsächlich auf zu reden. Das Geräusch eines Wasserfalls, der plötzlich verstummt.
»Sascha hat mir das Leben gerettet«, sagte Frau Ella schließlich. »Wir waren beide im Krankenhaus.«
»Soso«, sagte Buvardo. »Das ist
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