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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Zeiten sind doch wohl vorbei, als das notwendig war«, sagte Frau Ella, froh darüber, dass sie jetzt besser verstand, wann er Spaß machte und wann nicht.
    »Nein wirklich, Frau Ella, Sie schlafen auf jeden Fall wieder im Bett«, sagte er und begann, die Teller zusammenzustellen und abzuräumen. »Und bitte bleiben Sie sitzen! Ich weiß ja kaum noch, wie man abspült.«
    »Ein Weltmeister war er Anfang der Woche aber auch nicht gerade«, sagte sie zu Lina.
    »Wir schaffen das schon irgendwie. In so einem Haushalt kommen bestimmt auch zwei Einarmige ganz gut zurecht. Irgendwie ergänzen wir uns da ganz gut.«
    Zwei Einarmige, dachte Frau Ella. Was für eine seltsame Idee. Wenn jeder alles können musste, dann konnte doch keiner mehr irgendetwas richtig. Nur, was hieß das schon, etwas richtig zu können? Es war ja nicht so, dass die jungen Menschen alles falsch machten. Sie führten die Dinge einfach nicht zu Ende. Und doch funktionierte auch hier alles, mehr oder weniger. Sie geriet schon wieder ins Grübeln, obwohl alles gut war, die beiden glücklich zusammengefunden hatten, der Braten gelungen war. Sie war einfach müde.
    »Frau Ella?«, hörte sie die Stimme des Mädchens. »Wollen Sie einen Kaffee?«
    »Nein, danke. Ich denke, ich muss langsam, aber sicher die Beine hochlegen.«
    »Wollen Sie nicht noch ein bisschen von früher erzählen? Von diesem Soldaten?«
    »Hey, Lina, lass mal«, sagte Sascha.
    »Schon gut, mein Junge. Morgen. Morgen erzähl ich Ihnen, was Sie wollen. Jetzt gehe ich aber doch schlafen.«

    Ihr Kopf und ihr Beine waren wie betäubt, dazwischen ein bei jedem Atemzug stechender Schmerz im Rücken. Der Schlaf hatte sie noch weiter erschöpft. Ja, sie hatte geträumt. Sie waren durch die Stadt gerannt, Lina und Sascha vorneweg, in immer neue Geschäfte, und sobald sie selbst es durch die Tür geschafft hatte, waren die beiden schon wieder verschwunden, und dieser Kellner mit seinem Sekt hielt ihr einen Spiegel vor, durch den sie gehen musste, um wieder auf die Straße zu gelangen und die beiden weiter zu verfolgen. Nein, nicht verfolgen, es war eher ein Gefühl von Zurückgelassenwerden, wieder eine Kindheitserinnerung. Natürlich hatte auch sie das oft gehört, dass das Ende des Lebens irgendwie wieder zum Anfang führte, die Beerdigungen auf dem Dorf, all die Großtanten und Großonkel, die von Staub zu Staub gingen, glaubte man den Worten des Pfarrers, aber es war doch rätselhaft, dass all diese Erinnerungen jahrzehntelang in ihr geschlummert haben sollten. Hatte sie das überhaupt geträumt, sie, die sich kaum daran erinnern konnte, überhaupt einmal geträumt zu haben? Ihr Mund war trocken, sie schwitzte, noch nie hatte sie sich in ihrem Körper so unwohl gefühlt, so fremd, wie zu Besuch, in einem Gefängnis. Sie wusste, sie musste aufstehen, alles würde noch schlimmer, wenn sie liegen bliebe. Ein Glas Wasser in der Küche. Ein paar Schritte. Dann wäre alles wieder vorbei.
    Fast hätte sie geschrien, als sie sich auf die Seite drehte, den Jungen gerufen, damit er ihr helfen kam. Aber so weit durfte es nicht kommen. Sie musste nach Hause. Dort würde alles wieder gut. Morgen. Sie presste die Lippen aufeinander und stand auf. Langsam schlich sie durch das dunkle Zimmer in Richtung der Tür, machte kein Licht, um ihn nicht zu wecken. Jeder Schritt fuhr ihr durch den ganzen Körper. Endlich war sie an der Tür, stützte sich auf die Klinke, um Luft zu holen, als sie ihn im Schlaf stöhnen hörte. Ihr Herz schlug schneller, als sei das immer noch ein Traum. Doch sie wusste, sie war wach, sie war in der Wohnung des jungen Mannes, der sie aus dem Krankenhaus gerettet hatte. Sascha. Vielleicht war doch etwas mit dem Braten nicht in Ordnung gewesen, und auch er träumte schlecht. Sollte sie ihn wecken, auch ihm ein Glas Wasser bringen? Dann würde alles wieder gut.
    Sie öffnete die Tür, langsam, versuchte im Dunkel der Stube den Weg zu erkennen, wollte an der Wand entlang gehen, um sich an den Regalen abzustützen. Da merkte sie, dass er gar nicht schlief oder ganz schrecklich träumte, so wild warf er sich von einer Seite auf die andere. Dann begriff sie, dass da zwei Menschen lagen. Es war gar nicht sein Kopf, der sich wild auf dem Kissen hin und her warf. Der Junge und das Mädchen, das konnte nicht sein. Das Mädchen wollte doch bei ihrer Freundin übernachten! Ja, sie hatte ihnen das Bett angeboten, aber das durfte doch nicht sein, nicht jetzt und hier. Erschrocken stolperte sie

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