Frau Ella
phantastisch!«, sagte er.
»Warten Sie mal ab. Das ist erst der Anfang. Darf ich Ihnen übrigens etwas sagen?«
»Klar.«
»Es geht mich ja nichts an, aber Sie müssen wissen, ich freue mich, dass Sie sich mit Ihrer Freundin wieder vertragen.«
»Mit meiner Verlobten.«
»Ein tolles Mädchen. Natürlich muss sie noch viel lernen, aber es ist ja auch unglaublich, was die jungen Frauen heute alles leisten müssen. Sie müssen ihr da unbedingt ein bisschen unter die Arme greifen.«
»Klar. Ein bisschen schnell ging das aber doch, finden Sie nicht?«
»Ach was. Die wichtigen Entscheidungen trifft man doch meistens ganz schnell, die guten wie die schlechten. Seien Sie doch froh, dass sie zurückgekommen ist. Jetzt haben Sie immer noch genug Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Noch sind Sie ja nicht verheiratet.«
»Vollkommen richtig«, sagte er und versuchte, sich nicht in die Finger zu schneiden.
»Rom wurde nicht an einem Tag gebaut, hat mein Mann immer gesagt, aber irgendwann hat jemand entschieden, dass damit angefangen wird.«
Die Kartoffeln waren längst gekocht und zu Püree zerstoßen, als der Duft des Bratens eine ganz neue, exotische Note entwickelte, die sich dennoch in ein harmonisches Ganzes fügte. Ein Hauch von Vanille, der viel mehr war als nur Vanille, ließ Sascha wohlige Schauder den Rücken hinunterlaufen. Frau Ella saß mit seiner Lupe über ein Kreuzworträtsel gebeugt. Es war schon bemerkenswert, wie viel Zeit sie mit seinem Altpapier verbringen konnte. Man sollte eben nichts wegwerfen, wie sie gesagt hatte. Der Braten war ein Wunderbraten, der sogar nach Vanille duftet, dachte er. Da fühlte er sie hinter sich, auch ohne dass sie ihn berührte. Da war Lina, da war ihr Duft, das Shampoo und das Parfum, da fühlte er plötzlich, wie glücklich er war, wie wenig er das fassen konnte, dass diese Monate der Leere jetzt vorbei sein sollten, dass sie wirklich hinter ihm stand, er ihren Bauch an seinem Hinterkopf spürte, ihre kühlen Hände sich auf sein heißes Gesicht legten.
»Aua!«, schrie er, als sie an seine Wunde stieß. »Verdammt! Scheiße! Pass doch auf!«
»O Gott, sorry! Sorry, sorry, sorry, sorry! Das Auge hab ich ganz vergessen!«
»Schon gut«, sagte er schnell, da er merkte, dass er sich vor allem erschreckt hatte, und griff nach ihrer Hand.
»Es wird wirklich Zeit, dass Ihr Auge wieder gesund wird«, sagte Frau Ella.
»Und Ihrs?«
»Ach, wer fasst mich denn schon noch an.«
»Vielleicht der Vater von dem Asiaten«, sagte Lina.
Das überhörte Frau Ella, die ihre Zeitung beiseitegelegt hatte und sich wieder am Ofen zu schaffen machte. Wirklich schön war der Anblick nicht, wie sie sich offenbar mit Mühen und Schmerzen bückte, aber er wusste, dass sie das so wollte, dass er heute nichts an seinem Ofen verloren hatte.
»Ich mache euch nachher noch mal einen neuen Verband«, sagte Lina.
»Ja, aber erst einmal wird gegessen«, sagte Frau Ella.
15
ANSCHEINEND HATTE ES DEN beiden geschmeckt. Nur das allerletzte Stück hatte der Junge nicht mehr gewollt, und auch das Mädchen hatte mehrmals nachgenommen. So anders waren sie gar nicht, wenn es um die wichtigen Dinge ging. Frau Ella war erleichtert, dass ihr Braten genau so gelungen war, wie sie es erhofft hatte, nach über zwanzig Jahren und in einem Ofen, den sie nicht kannte. Einem Gasofen! Endlich hatte sie auch ihnen etwas bieten können, nach all den Dingen, die sie mit ihr unternommen hatten. Doch jetzt war es höchste Zeit, dass der Alltag wieder das Kommando übernahm. Den ganzen Nachmittag war sie auf den Beinen gewesen, von einem Geschäft zum anderen gelaufen, hatte das Mädchen in diesem und jenem Kleid begutachtet, in Blusen und Hosen, die ihr doch alle viel zu klein waren, aber davon wollte Lina nichts hören. Der Rücken schmerzte. Irgendetwas war da passiert, als sie sich zum Ofen gebückt hatte. Ihre Waden waren taub vor Müdigkeit, das Auge juckte, sie war fast am Ende ihrer Kräfte und trotzdem froh, die beiden da sitzen zu sehen, glücklich und erschöpft vom Essen.
»Heute werden wir alle gut schlafen«, sagte sie. »Ich habe Ihnen auch das Bett neu bezogen. Ich nehme das Sofa.«
»Kommt gar nicht in Frage«, sagte Sascha.
»Ich werde Sie doch nicht aus Ihrem gemeinsamen Bett vertreiben«, sagte Frau Ella.
»Niemand vertreibt hier irgendjemanden.«
»Ich wohne ganz in der Nähe bei einer Freundin«, sagte Lina.
»Wir sind ja auch noch nicht verheiratet«, sagte er und zwinkerte ihr zu.
»Die
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